I. Ein Freund der Familie an Anna Busse, 10. Juli 1950
Liebe Aenne! Seit bald 8 Wochen habe ich erfahren, daß Ernst sich in Haft befindet. Aber seit 14 Tagen habe ich erst erfahren können, daß er belastet wird wegen seiner Revier-Kapo-Tätigkeit in Buchenwald.
Dir wird bekannt sein, daß ich in Wehlheiden, also schon im Zuchthaus, später im KZ Lichtenburg und zuletzt im Buchenwald mit ihm im engen Kreis Widerstandsarbeit und Fraktionsarbeit geleistet habe, also einer seiner engsten Mitarbeiter war und somit über alle Phasen des Kampfes im Bilde bin.
Auf meinem Forschungsfragebogen habe ich einen allgemeinen Bericht als Anhang gegeben. Die Tatsache seiner [Busses] Belastung kann möglicherweise vorwiegend von sowjetischen, polnischen, tschechischen, französischen und holländischen Gefangenen herrühren, welches in Verkennung der Zwangsläufigkeit geschehen ist.
Ich habe mich entschlossen, einen Bericht zur Forschungsarbeit zu liefern: / »Meine Widerstandsarbeit mit Ernst Busse« / Man kann ihn für diese Reviertätigkeit nicht verantwortlich machen, weil er von Anfang an für jede Arbeit und jeden Auftrag seine Fraktion und Gruppe gefragt und unterrichtet hat. Dazu gehörten die leider Verstorbenen: Walter Stöcker, Theo Neubauer, Albert Kuntze [Kuntz]. Ich bin einer der wenigen Überlebenden. Eine wesentliche Hilfe kann Dir ja Walter Bartel, Harry Kuhn, Robert Siewert, Ottomar Geschke bieten. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß alle Angeklagten SS-Leute, von [Martin] Sommer, [Max] Blancke, Dr. [Waldemar] Hoven sogar bis Ilse Koch versuchen, ihn zu belasten, um sich zu entlasten. / Schreibe mir bitte deswegen, wenn möglich, von welcher Seite die Hauptbelastungsmomente kommen, vielleicht kann ich darauf besonders reagieren.