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„An die Basis – gegen die Selbstzufriedenheit”: Diskussionsbeitrag Erwin Strittmatters auf der Bitterfelder Konferenz [Auszug] (24. April 1959)

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Gegen die Unentschlossenheit

Es wurde unter anderem gesagt, der Begriff »Revisionismus« gehöre nicht in den Arbeitsplan einer Massenorganisation, wie der Schriftstellerverband eine sei. Oder: Man müsse den Begriff genau klären und analysieren, denn man könnte nicht verlangen, daß auch parteilose Schriftsteller wüßten, was Revisionismus ist.

Sind die Schriftsteller bei uns so hinterwäldlerisch? Lesen sie die Auseinandersetzungen in unserer Tagespresse nicht? Leben sie nicht in unserer Welt? Dann können sie auch nicht für unsere Welt schreiben.

Vielleicht gefallen einigen unserer älteren Genossen Schriftsteller solche Passagen in unserem Arbeitsplan nicht, in denen eindringlich darauf hingewiesen wird, daß die Schriftsteller unbedingt Beziehungen zu den Werktätigen und ihren Betrieben aufzunehmen haben, ja dort von Zeit zu Zeit auch mitarbeiten sollen. Ein solches Unbehagen wäre verständlich. Sie haben viel erlebt und verfügen sicher noch über große Erfahrungen, etwa von den Stoffen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung, die die Jugend dringend braucht. Man sollte also nichts Unbilliges von ihnen verlangen. Man sollte sie in Ruhe schreiben lassen. Aber eines darf man von ihnen, glaube ich, doch verlangen: Gerade sie sollten uns dabei helfen, die jüngeren Schriftsteller zu beflügeln; sie sollten den jungen Schriftstellern sagen, daß sie ihre Stoffe für eine volksverbundene Literatur nur finden können, wenn sie eine gute Beziehung zum Werktag unserer Republik haben.

Ich habe mir eine Übersicht darüber verschafft, welche Werke die Schriftsteller in Angriff genommen haben, und diese Übersicht zeigt folgendes: Von 109 von diesen belletristischen Arbeiten der Schriftsteller in der Republik behandeln 69 gegenwärtige Themen, 16 historische Stoffe, zehn den zweiten Weltkrieg, sieben die Geschicke der Arbeiterbewegung und sieben das Problem Westdeutschland.

Bei den Berliner Schriftstellern sehen die Arbeitsvorhaben so aus: von 70 Arbeitsvorhaben sind 39 gegenwärtige Themen, sechs historische Stoffe, sieben Themen über den zweiten Weltkrieg, 13 aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und sechs sind den Westdeutschlandproblemen gewidmet. Ich höre schon dazu: »Er erzählt uns vom Administrieren, und jetzt ist er auf einem ähnlichen Wege.« Damit ihr recht behaltet, sage ich noch die Prozentzahlen dazu:

In der Republik beträgt die Behandlung von Gegenwartsproblemen 62,7 Prozent, in Berlin 55,5; 1958 hingegen betrug der Anteil der Gegenwartsliteratur 42 Prozent. Beruhigt euch, bitte! Ich weiß genau, daß man mit Prozentzahlen der Arbeitsvorhaben und Arbeitsplanung unserer Schriftsteller nicht viel anfangen kann. Diese Pläne müssen erst einmal erfüllt werden. Aber auch dann ist fraglich, ob jede Arbeit den Anforderungen, insbesondere den Anforderungen an Qualität, genügt. Deshalb sind die genannten Zahlen nur unvollkommene Anhaltspunkte.

Unter den Schriftstellern der Republik, die sich mit Gegenwartsproblemen befassen, sind folgende Namen zu finden: Max Zimmering, Armin Müller, Hasso Grabner, Benno Voelkner, Herbert Jobst, Herbert A. W. Kasten, Regina Hastedt, Martha Nawrath, Martin Viertel usw.

In Berlin: Willi Bredel, Elfriede Brüning, Walter Gorrish, Egel-Wiens, Heinz Kahlau, Jo Schulz, Ludwig Turek, Otto Gotsche, Gustav von Wangenheim, Alex Wedding, Hedda Zinner, Erwin Strittmatter usw. usw.

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