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Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt ihre schrittweise Umsetzung der Reformen (27. November 2006)

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Die neue soziale Frage unserer Zeit hat deshalb mit der Frage des Zugangs und der Teilhabe der Menschen an diesen Entwicklungen zu tun. Und so kommen wir zu der zentralen politischen Herausforderung unserer Zeit: Welchen Ordnungsrahmen braucht unsere veränderte Welt, um Teilhabe für jeden Einzelnen an den Ressourcen, den Früchten und dem Fortschritt unserer Gesellschaft zu ermöglichen?

Ich fürchte: Wenn diese Frage nicht schlüssig beantwortet wird, dann wird politisches Handeln angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit der Veränderungen den Entwicklungen immer nur hinterherlaufen. Dann wird Angst das vorherrschende Gefühl. Dann werden neue soziale Verwerfungen die Folge sein. Dann werden die Menschen nicht mehr an die Kraft der Politik glauben.

Liebe Freunde, ich bin überzeugt: genau das muss verhindert werden! Das ist wahrlich keine graue Theorie, das berührt das tägliche Leben der Menschen!

Eine Antwort bei uns zu Hause lautet für mich: Gerade in globalen Zeiten müssen wir neue Wege für mehr Beteiligungsgerechtigkeit finden!

Deshalb beraten wir auf diesem Parteitag das Konzept des Investivlohns, also Teilhabe des Arbeitnehmers an dem Wertzuwachs des Faktors Kapital. Nach 30 Jahren Diskussion ist jetzt die Zeit, das etwas gelingen muss.

Denn jeder wird gebraucht, keiner soll ausgegrenzt werden. Arbeit für alle muss das Kernstück sozialer Gerechtigkeit sein.

Doch die richtige Antwort darauf heißt gerade nicht Allzuständigkeit von Politik und Staat. Die richtige Antwort auf die Herausforderung unserer Zeit besteht in einer Doppelstrategie der Politik. Sie muss an richtigen Stellen eingreifen und an den richtigen Stellen loslassen. Dafür die Voraussetzungen zu schaffen, das ist die Aufgabe der Politik.

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Liebe Freunde, der Wille für politische Weichenstellungen ist stets mit zum Teil erbittertem Widerstand verbunden, zumindest mit Skepsis und Fragen: Verlieren die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ihre Gültigkeit, wenn wir von der neuen Sozialen Marktwirtschaft sprechen? Was soll das Neue an der neuen Sozialen Marktwirtschaft sein?

Noch einmal: Es geht mir nicht um den Begriff, sondern darum, ob wir den Kern unserer Herausforderung erkennen, ob wir die wichtigsten Themen anpacken.

Ich bin für das Machbare, aber auch das Machbare braucht eine Vision.

Deshalb werde ich nicht locker lassen, deutlich zu machen: Die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards wird nicht nur nicht mutwillig preisgegeben. Die Prinzipien Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verlieren nicht nur nicht ihre Gültigkeit. Vielmehr verschafft erst das Erkennen des Neuen an der sozialen Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert wieder die Voraussetzung, dass genau diese Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft auch in Zukunft gelebt werden können.

Denn nur, wenn wir die alles verändernde internationale Dimension unseres Lebens erkennen, können wir sie gestalten. Globalisierung ist keine Naturkatastrophe. Sie kann gestaltet werden. Nur so eröffnet sich dem Menschen auch im 21. Jahrhundert die Chance auf Teilhabe. Auf Teilhabe durch Bildung, durch Arbeit, durch Kapital, auf Teilhabe an öffentlicher Sicherheit.

Die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards, die heute alle im Mund führen, haben wir unterstützt, als noch viele gegen sie waren. Und das Stenographische Protokoll des deutschen Bundestages wies damals aus: „Lachen links“.

Auch für unser neues politisches Konzept werden wir wieder kämpfen müssen. Ich will, dass wir es sind, die mit einem umfassenden Konzept den Menschen die Angst nehmen. Damit nicht wieder Angstkampagnen à la Schröder eine Chance bekommen.

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