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Deutschland und seine Bürger in Uniform (15. November 2009)

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Im Juli verlieh Bundeskanzlerin Merkel vier deutschen Soldaten, die in Afghanistan gedient hatten, die ersten Tapferkeitsorden des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg. Im September eröffnete Bundespräsident Horst Köhler hier in Berlin eine Gedenkstätte für die seit 1955 im Militäreinsatz Gefallenen.

Daniel Libeskind, der Architekt des Jüdischen Museums in Berlin, gestaltet das ehemalige ostdeutsche Militärmuseum in Dresden um, das künftig als Museum der Geschichte der Bundeswehr genutzt werden soll.

Und letzte Woche reiste der neue deutsche Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg, nach Afghanistan, wo er den Soldaten sagte: „Ich glaube, dass unser gemeinsames Vaterland stolz auf Sie sein kann. Ich weiß, dass ich es bin.“

Doch solcherlei offizielle Anerkennung der veränderten Gegebenheiten ist nicht das selbe wie eine breite Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft.

„Support the troops“ mag wie ein hohles Mantra klingen, bis man in einem Land lebt, das es einfach nicht tut. In den USA verbinden sich die Fähnchen in den Schaufenstern, die Autoaufkleber, die gelben Bänder an Baumstämmen und Haustüren – ganz zu schweigen von dem Gefühl nationaler Trauer, das Präsident Obama letzte Woche nach dem Amoklauf in Fort Hood ansprach – zu einer Art psychologischem Sicherheitsnetz für Soldaten.

Für mich als Amerikaner fingen die Grüße der Talkshowmaster und Football-Moderatoren an die Soldaten an, ein wenig obligatorisch zu klingen, bis ich aus Afghanistan zurückkehrte und mit besonderer Aufmerksamkeit das deutsche Fernsehen verfolgte, in der Hoffnung, wenigstens eine ähnliche Geste zu entdecken. Bis jetzt habe ich das nicht.

In der Vietnam-Ära drückte sich die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft hinsichtlich des Krieges darin aus, dass heimkehrende Soldaten in Uniform von den Parolen der Demonstranten begrüßt wurden. Seitdem hat sich jedoch dahingehend ein Konsens gebildet, dass die Entscheidungsträger die Verantwortung für die Kriegspolitik tragen sollten, während junge Männer und Frauen in Uniform für die Risiken, die sie für ihr Land auf sich nehmen, Unterstützung erfahren sollten.

Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, sagte er sei bis heute von seinen Erinnerungen an Reisen nach Tampa, Washington und El Paso beeindruckt, auf denen er gesehen habe „wie wildfremde Leute den Soldaten ein Bier ausgeben“.

„In Deutschland gibt es kein wirkliches Mitgefühl für die Soldaten, die jeden Tag Leib und Leben riskieren“, sagte Robbe, 55.

Robbes eigene Erfahrungen zeichnen die Komplexität der Einstellung der Deutschen gegenüber ihrem Militär der Nachkriegszeit nach. Als Jugendlicher verweigerte er den Wehrdienst mit der Begründung, er verstehe nicht, weshalb er auf Verwandte in Ostdeutschland schießen solle. Als Mitglied des Bundestages gehörte er 1995 jedoch zu einigen Dutzend Sozialdemokraten, die sich über die Linie der Partei hinweg für den Bosnien-Einsatz aussprachen. Als Ergebnis dessen war sein Gesicht auf Plakaten mit der Aufschrift „Die Kriegstreiber“ zu sehen und Robbe erhielt Polizeischutz.

Das war eine Zeit des offenen Pazifismus; an dessen Stelle ist nun etwas anderes getreten. „Verglichen mit jenen Tagen sind wir heute ein bisschen weiter, ein bisschen mehr daran gewöhnt“, sagte Robbe. „Aber man überlässt es im Wesentlichen dem Bundestag und will eigentlich nichts damit zu tun haben, und der Soldat erhält nicht die moralische Unterstützung, die er verdient hat.“



Quelle: Nicholas Kulish, “No Parade for Hans,” New York Times, November 14, 2009.

Übersetztung aus dem Englischen ins Deutsche: Insa Kummer

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