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Die Menschen drüben genießen denn, wo sie schon die große Freiheit nicht haben, die kleinen Freiheiten, die ihnen ihr Staat gewährt. Auch das war im Ansatz schon 1964 zu erkennen: «Sie leben [ihre] bescheidenen Interessen, Hoffnungen und Steckenpferden. Die private Sphäre dient wieder einmal als Zufluchtsstätte, in die man sich vor dem Zugriff der Politik rettet, die Intimsphäre desgleichen. Auch Bildung und Ausbildung bieten eine Zuflucht.» Das alles hat sich seitdem eher noch verstärkt. Günter Gaus, der erste Ständige Vertreter Bonns in der DDR, hat dafür den Begriff «Nischengesellschaft» geprägt. Die Nische – das ist in seiner Definition «der bevorzugte Platz der Menschen drüben, an dem sie Politiker, Planer, Propagandisten, das Kollektiv, das große Ziel, das kulturelle Erbe – an dem sie das alles einen guten Mann sein lassen . . . und mit der Familie und unter Freunden die Topfblumen gießen, das Automobil waschen, Skat spielen, Gespräche führen, Feste feiern. Und überlegen, mit wessen Hilfe man Fehlendes besorgen, organisieren kann, damit die Nische noch wohnlicher wird.»
Es ist nicht anders als bei uns; warum sollte es auch. Und Gaus hat ganz recht: eine gewisse Staatsferne prägt das Leben in den Nischen schon, aber sie existieren innerhalb des Sozialismus, nicht außerhalb des Sozialismus. Es handelt sich nicht um Brutstätten der Opposition. Die Partei, die gesellschaftlichen Organisationen und die Betriebe tun sogar viel, um den Menschen das Nischendasein überhaupt erst zu ermöglichen. Philatelie, Zierfischzucht, Jagen und Angeln - überall gibt es Kreise und Zirkel, Klubs und Vereinigungen. Sport wird in jeglicher Variation getrieben. Mehr als 4 Millionen DDR-Bürger (ein Viertel der Bevölkerung!) machten 1985 das Sportabzeichen.
Die liebste Nische ist den Menschen drüben jedoch die eigene «Datsche». Das kann ein Schrebergarten sein mit Laube, eine alte Kate auf dem Lande oder eine Hütte im Forst. Das Wort «Datsche» ist aus dem Russischen übernommen, die Sache nicht. (In Thüringen hatten die kleinen Leute schon immer ihre «Tränke», ein Stückchen Garten, einen Streifen Wiese, ein Eckchen Wald.) Die Partei hat nichts dagegen. «Warum soll der Mensch nicht eine Datsche haben?» fragte Kurt Hager. «Ein bestimmtes Publikum bei Ihnen sieht darin etwas völlig Antisozialistisches. Ich sehe darin etwas Selbstverständliches.»