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Die Attraktivität der Metropole Berlin (6. Juli 2006)

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»Das kann und will niemand rückgängig machen, aber es müsste doch einen Ausgleich geben.« Das sagte sich auch der Regierende Bürgermeister und klagte beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, der Bund möge Berlins seit der Wiedervereinigung explodierte, auf sagenhafte 60 Milliarden Euro angewachsene Schulden tilgen – die Stadt allein könne das nicht schaffen, trotz des harten Sparkurses ihres Finanzsenators Thilo Sarrazin. Das Urteil wird noch in diesem Sommer erwartet.

Was hält Kollhoff eigentlich von seinem Bürgermeister und dessen Partystil?

»Wowereit – im Grunde sind doch alle froh, dass er da ist. Er tut mehr für die Stadt, als es scheint. Er hat Berlin aus dem Ost-West-Mief herausgeholt, das ist seine historische Leistung. Er lebt und agiert jenseits von Ost-West-Kategorien.«

Ein leicht verwegenes Lächeln erscheint. »Wowereit ist ein Las-Vegas-Typ.« Hans Kollhoff meint das anerkennend.

Wie porös die Stadt immer noch ist! Nach einer Bauwelle ohnegleichen. Wer vom Brandenburger Tor südwärts geht, in Richtung des neuen Potsdamer und Leipziger Platzes, dem bietet sich eine Aussicht auf offenen Horizont. Als ende die Stadt hinter der Grasschneise, die sich zwischen den Hochhäusern beider Plätze erstreckt. Berlin scheint abzubrechen dort hinten. Ein ähnlicher Effekt stellt sich ein, wenn man aus dem neuen Bahnhof tritt (der übrigens nicht Hauptbahnhof heißen sollte wie in Bielefeld, sondern Berlin Central). Man steht vor einer weiten, asphaltierten Fläche, die an einen leeren Kirmesplatz erinnert. In der Ferne Kuppeln: Reichstag, Sony-Center, allerlei ambulante Festzelte. Auf einem steht »Afrika«.

Solche fatamorganische Leeren tun sich vielerorts auf. Nein, Berlin sitzt nicht auf Taille. Es ist sich selbst zu weit, noch immer. So groß war die Stadt einmal gewesen, das politische, gesellschaftliche, industrielle Zentrum eines bedeutenden Reiches, dass die Jahre seit 1990, trotz riesiger Investitionen, nicht gereicht haben, sie wieder prall auszufüllen. Mit Leben, Unternehmungen, Gebäuden.

Selbst da, wo es gelang, die Leere wenigstens baulich zu füllen wie in der hochverdichteten Friedrichstraße, die im Sommer vor Hitze, Handygesumm und Absatzgeklacker flirrt wie irgendeine Großstadtavenue der Welt, stehen Etagen leer. Da ist die Leere nur in große steinerne Kästen gepackt. Das ist unschön für jene Investoren, die in den baunärrischen Neunzigern ihr Geld in die vielen neuen Bürohäuser steckten – und schön für die, die jetzt erst kommen, wo alles hübsch billig ist.

Es gibt aber mindestens zwei Berlin – das innerhalb der Ringbahn und das außerhalb. Sie trennt die innere Stadt, in der Mythen und Investitionen blühen und die Berlin-Bilder in alle Welt funkt, von der äußeren Stadt, wo Hotels »Berliner Bär« heißen und die Leute so uncoolen Tätigkeiten nachgehen wie Motorräder und Reihenhäuser bauen und im Gartencenter Geranien verkaufen.

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