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Toleranz-Patent Josephs II. für die niederösterreichischen Juden (2. Januar 1782)

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10. Wir gestatten ihnen, daß sie von nun an alle Gattungen von Handwerken und Gewerben hier und anderweitig bei christlichen Meistern erlernen, sich bei solchen als Lehrjungen aufdingen oder als Gesellen arbeiten, ohne jedoch dadurch Juden und Christen einen Zwang aufzulegen.

11. Wir bewilligen ihnen ferner, alle Gattungen von Gewerben, jedoch ohne Bürger- und Meisterrecht, als wovon sie ausgeschlossen bleiben, zu betreiben, jedoch nur nach erlangter Bewilligung von dem Wiener Magistrate und am Lande von der niederösterreichischen Regierung. Die Malerei, Bildhauerei und die Ausübung freier Künste ist ihnen wie den Christen überlassen.

12. Sowie wir ihnen auch unter allen unbürgerlichen Handlungszweigen vollkommen freie Wahl geben und sie berechtigen, sich um das Befugniß der Großhandlung zu bewerben.

13. Auch erneuern wir hiemit die Erlaubniß und ermuntern sie zur Anlegung von Manufacturen und Fabriken.

14. Wir gestatten ihnen ferner, auf Realitäten Capitalien zu leihen und sicherzustellen, ohne daß sie aber befugt sind, sich dieselben einschätzen zu lassen.

15. Der Gebrauch der hebräischen und hebräisch mit deutsch vermengten sogenannten jüdischen Sprache und Schrift wird in allen öffentlichen in- und außergerichtlichen Handlungen aufgehoben, statt deren sich künftighin der landesüblichen Sprache zu bedienen ist. Es wird dazu eine Frist von zwei Jahren vom Tage dieses Patentes bestimmt, wornach alle mit hebräischen und jüdischen Buchstaben geschriebenen Instrumente für ungiltig und nichtig erklärt werden.

16. Es wird ferner den Juden gestattet, so viel jüdische oder auch christliche Dienstleute zu halten als ihre Geschäfte fordern, doch sind sie verbunden, jährlich einen zuverlässigen Meldzettel einzureichen und hat jeder Hausvater die jüdischen Dienstleute nicht nur bei sich zu beherbergen, sondern auch für sie zu stehen, daß sie keinen besonderen Handel treiben, der nichttolerirten Juden untersagt ist.

17. Die Weiber, Männer oder erwachsenen Kinder von derlei jüdischen Dienstleuten, die eigene Gewerbe treiben, müssen ebenfalls tolerirt sein.

18. Von der bisherigen Beschränkung auf bestimmte Judenhäuser lassen wir es abkommen und erlauben den tolerirten Juden, eigene Wohnungen sowohl in der Stadt als in den Vorstädten nach ihrer Willkür zu miethen.

19. Nicht minder heben wir die von fremden Juden bisher entrichtete Leibmauth gänzlich auf und erlauben denselben zur Betreibung ihrer Geschäfte von Zeit zu Zeit den freien Eintritt in unsere Residenz, und zwar ohne gezwungen zu sein, Kost und Wohnung lediglich bei tolerirten Juden oder jüdischen Garköchen zu suchen.

20. Weil aber die Zahl der hier ansässigen Judenfamilien nicht vergrößert werden soll, so müssen die herkommenden fremden Juden gleich bei ihrer Ankunft sich bei der niederösterreichischen Regierung melden, ihre Geschäfte und die Zeit, die sie dazu nöthig haben, anzeigen, die Bestätigung abwarten und nach verstrichener Frist entweder von hier abgehen oder bei der Regierung um eine Verlängerung ansuchen. Die Polizei soll also auf die gewisse Abreise dieser fremden Juden ein wachsames Auge haben, und haben diejenigen Christen oder Juden, bei welchen fremde Juden ihre Wohnung nehmen, noch des nämlichen Tages die Anzeige an die Regierung zu thun.

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