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Jérôme [Hieronymus] Napoleon, König von Westfalen, Dekret über die Aufhebung der Leibeigenschaftsrechte im französischen „Satellitenreich” Westfalen (23. Januar 1808)

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Art. 2. Dem bisherigen Herrn steht kein Recht in Ansehung der Erziehung und Bestimmung der Kinder des Bauern zu. Auch kann er ihnen weder die Verbindlichkeit auflegen, bei dem Bauernstande und dem Gewerbe ihrer Aeltern zu bleiben, noch sie verhindern, sich außerhalb des Bauerngutes niederzulassen.

Art. 3. Er kann von seinen Bauern den Eid der Treue und Unterthänigkeit nicht fordern.

Art. 4. Er kann sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegen ihn, sofern diese bestehen bleiben, weder durch körperliche noch durch Geldstrafen nöthigen; er kann sich nur an die Gerichte wenden, da der Dienstzwang und jedes andere Recht dieser Art aufgehoben ist.

Art. 5. Dem Bauern steht es frei, das Gut zu verlassen, dessen Besitz aufzugeben und sich an irgend einem andern Orte niederzulassen, wenn er nur sein Vorhaben zeitig und mit Beobachtung einer schicklichen Frist anzeigt.

Art. 6. Aufgehoben ist ferner das unter den verschiedenen Benennungen von Sterbfall, Besthaupt, Curmede, so wie überhaupt unter dem Namen des Mortuarii bekannte Recht, einen Antheil an dem Mobiliarnachlasse der verstorbenen Frau eines Bauern zu verlangen, und an der Erbfolge in die Mobilien, das Vieh und die Baarschaft des Bauern selbst Theil zu nehmen.

Art. 7. Die Bauern sind fähig, Rechte und Güter mit vollem Eigenthume zu erwerben, und darüber sowohl durch Verträge unter Lebenden, als durch letzte Willensverordnungen, den Vorschriften des Gesetzbuches Napoleons gemäß, zu verfügen.

Sie sind gleichergestalt fähig, vor Gericht aufzutreten und ihre Rechte, gegen wen es auch sei, zu vertheidigen.

Art. 8. Gemeindedienste oder sogenannte Commun-Frohnen, welche bloß zum Nutzen der Gemeinden abzwecken, desgleichen die unter dem Namen von Burgfesten und Landfrohnen zum Bedürfnisse des Staats zu leistenden Dienste, sind nicht aufgehoben.


Zweiter Titel. Von den auf den Grundstücken haftenden Verbindlichkeiten.

Art. 9. Die bisherigen Herrn behalten das Obereigenthum (dominium directum) und alle diejenigen Rechte, welche nicht, als von der Leibeigenschaft abhängig, aufgehoben sind, sondern in Abgaben und Verbindlichkeiten bestehen, die mit der Constitution verträglich und als Preis der Ueberlassung des nutzbaren Eigenthums (dominium utile) zu betrachten sind, namentlich: die Zinsen, Renten, Zehnten, Geld- und Natural-Abgaben, ja selbst die Verbindlichkeit, für den bisherigen Herrn zu arbeiten und zu fahren, vorausgesetzt, daß die Anzahl der Tage und der Umfang der Arbeit entweder durch die Ueberlassungs-Urkunde, oder sonstige in die Hebe-Register eingetragene Anerkennungen und Erklärungen bestimmt ist.

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