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Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

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Über Erwerbungen nach angemaßtem Recht [par droit de bienséance]

Von allen Provinzen in Europa gibt es keine, die besser in unseren Staat passen würden als Sachsen, Polnisch-Preußen und Schwedisch-Pommern, denn alle drei runden ihn ab.

Sachsen jedoch wäre die nützlichste; es würde die Grenze am weitesten hinausschieben und Berlin abschirmen, die Hauptstadt, die zu weiträumig ist, um verteidigt zu werden, und die zufolge eines Fehlers meines Vaters ihre Befestigungen verlor, den Sitz der Regierung, wo sich zudem die königliche Familie, der Staatsschatz und alle obersten Justiz- und Finanzbehörden sowie die Münze befinden. Sachsen würde der Schwäche der Hauptstadt abhelfen und sie doppelt durch die Elbe und die Berge, die es von Böhmen trennen, decken. Wäre man Herr über Sachsen, könnte aus Torgau ein befestigter Platz gemacht, bei Wittenberg, dicht an der Elbe, eine Festung im Stil von Hüningen gebaut und auf der Höhe jenseits von Zittau und diesseits von Peterswalde zwei große Forts errichtet werden. Man würde so die beiden Wege nach Böhmen abriegeln; zu verteidigen blieben nur diejenigen, die nach Karlsbad, Teplitz und Gera führen, aber diese Gegenden würden für eine österreichische Armee außerordentlich schwierig zu passieren sein, weil diese genötigt wäre, ihren Proviant in Karren über gräßliche, lange und ungangbare Wege zu transportieren. Ein fähiger General würde diese drei Zugänge ohne Mühe verteidigen, und die Kurmark wäre gedeckt und von einem doppelten Schutzwall umgeben.

Ließe sich ganz Sachsen unserem Staat nicht einverleiben, so könnte man sich mit der Lausitz zufriedengeben und den Lauf der Elbe als Grenze nehmen, was den ins Auge gefaßten Zweck auch erfüllen würde, und zwar durch Abrundung der Grenze teils durch drei Festungen, teils durch einen Strom, dessen schwieriger Übergang die Hauptstadt vor feindlichen Einfällen deckte.

Nun werdet ihr mit Recht denken, es genügt nicht, die Länder aufzuführen, die zu unserem Vorteil wären, es müssen auch die Mittel und Wege vorgeschlagen werden, auf denen man sie gewinnen kann. Hier nenne ich sie: Man muß seine Absicht geheimhalten und verbergen, die Lage zu nutzen wissen, die uns günstigen Umstände geduldig abwarten und, sobald sie da sind, aus voller Kraft handeln. Diese Eroberungen würden erleichtert, wenn Sachsen mit der Königin von Ungarn verbündet wäre und diese Fürstin oder ihre Nachkommen mit Preußen gebrochen hätten. Das ergäbe einen Vorwand, in Sachsen einzumarschieren, die Truppen zu entwaffnen und sich im Land festzusetzen. Man würde zudem Frankreich beruhigen, indem man ihm vorstellte, es sei (wenn man Krieg führt) gegen alle Staatskunst, einen so mächtigen Feind wie Sachsen in seinem Rücken zu lassen. Die Sachsen zu entwaffnen wäre leicht, [ . . . ]

[Die nächsten Paragrafen bestehen aus einem rein technischen Schlachtplan zur Erreichung dieses Ziels. Dann fährt Friedrich fort:]

Damit dieser Plan in allen Teilen gelänge, müßte, während wir mit Österreich und Sachsen kämpfen, Rußland im Krieg mit dem Türken sein, und überdies wäre es notwendig, dem Wiener Hof so viele Feinde wie möglich zu machen, um nicht gegen alle seine Streitkräfte antreten zu müssen.

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