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Das Berlin-Ultimatum (27. November 1958)

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Die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs haben ihrerseits mit der Unterzeichnung der Pariser Abkommen die Einstellung des Besatzungsregimes auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland, das sich unter ihrer Kontrolle und Verwaltung befindet, deklariert.

Der vierseitige Status Berlins ist seinerzeit in Verbindung damit aufgekommen, daß Berlin als Hauptstadt Deutschlands zum Sitz des Kontrollrats bestimmt war, der für die Verwaltung Deutschlands in der Anfangsperiode der Besetzung errichtet wurde. Dieser Status wurde von der Sowjetunion bis zum heutigen Tage gewissenhaft eingehalten, obgleich der Kontrollrat bereits vor zehn Jahren sein Bestehen eingestellt hat und in Deutschland bereits seit langem zwei Hauptstädte existieren. Was die USA, Großbritannien und Frankreich betrifft, so nahmen sie den Weg des grobschlächtigen Mißbrauchs ihrer Besatzungsrechte in Berlin, indem sie den vierseitigen Status Berlins für ihre Zwekke benutzen – für die Schädigung der Sowjetunion, der DDR und der anderen sozialistischen Länder.

Einstmals war das Abkommen über den vierseitigen Status Berlins ein gleichberechtigter Vertrag der vier Mächte, geschlossen um friedlicher demokratischer Ziele willen, die später als Potsdamer Prinzipien bekannt wurden. Damals entsprach dieses Abkommen den Erfordernissen des historischen Moments und den Interessen aller seiner Partner – der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Jetzt, wo die Westmächte Westdeutschland aufzurüsten und es in ein Werkzeug ihrer Politik gegen die Sowjetunion umzuwandeln begonnen haben, wurde der Kern des früheren Alliiertenabkommens über Berlin zunichte, gebrochen durch drei seiner Teilnehmer, die dieses Abkommen gegen den vierten Teilnehmer – die Sowjetunion – zu benutzen anfingen. Es wäre lächerlich, zu erwarten, daß die Sowjetunion oder an ihrer Stelle irgendein anderer sich selbst achtender Staat sich unter solchen Umständen den Anschein geben würde, die erfolgten Veränderungen nicht zu bemerken.

Es entstand eine sichtlich widersinnige Lage, wo die Sowjetunion gleichsam selber günstige Bedingungen für die gegen die UdSSR und ihre Verbündeten im Rahmen des Warschauer Vertrags gerichtete Tätigkeit unterstützt und erhält. Es liegt klar zutage, daß die Sowjetunion ebenso wie die anderen Teilnehmerländer des Warschauer Vertrags eine solche Lage nicht mehr dulden können. Die weitere Beibehaltung des Besatzungsregimes in Westberlin wäre gleichbedeutend mit der Anerkennung irgendeiner privilegierten Stellung der zur NATO gehörenden Länder, wofür es natürlich keinerlei Grundlagen gibt.

Kann denn irgendwer ernsthaft der Meinung sein, daß die Sowjetunion den aggressiven Kräften helfen wird, subversive Akte zu entfalten und gar, einen Angriff auf die sozialistischen Länder vorzubereiten? Jedem vernünftigen Menschen sollte verständlich sein, daß die Sowjetunion in Westberlin nicht eine Lage bestehen lassen kann, die ihren berechtigten Interessen, ihrer Sicherheit und der Sicherheit der anderen sozialistischen Länder Abbruch tut. Es würde nicht schaden, dessen eingedenk zu sein, daß die Sowjetunion kein Jordanien und kein Iran ist und daß sie es niemals zulassen wird, daß ihr gegenüber Methoden des Drucks angewandt werden, um Bedingungen aufzuzwingen, welche den Mächten, die der gegenüberstehenden militärischen NATO-Gruppierung zugehören, zum Vorteil gereichen. Doch gerade dies wollen von der Sowjetunion die Westmächte erreichen, die ihre Besatzerrechte in Westberlin zu wahren suchen.

Kann denn die Sowjetregierung alle diese Tatsachen außer acht lassen, die die grundlegenden Sicherheitsinteressen der Sowjetunion, ihres Verbündeten – der DDR – und aller anderen Teilnehmerstaaten des Warschauer Verteidigungsvertrags berühren? Natürlich nicht. Die Sowjetregierung kann sich an den Teil der Alliiertenabkommen über Deutschland nicht mehr für gebunden halten, der ungleichberechtigten Charakter angenommen hat und benutzt wird, um das Besatzungsregime in Westberlin aufrechtzuerhalten und sich in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen.

In diesem Zusammenhang setzt die Regierung der UdSSR die Regierung der USA davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion als ungültig betrachtet das «Protokoll der Abkommen zwischen den Regierungen der UdSSR, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs über die Besatzungszonen Deutschlands und über die Verwaltung Großberlins» vom 12. September 1944 und die mit ihm verbundenen Zusatzabkommen einschließlich des zwischen den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs getroffenen Abkommens vom 1. Mai 1945 über den Kontrollratsmechanismus in Deutschland, d. h. die Abkommen, deren Wirksamkeit für die ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands berechnet waren.

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