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Ein Stadtplaner beschreibt das neue Regierungsviertel in Berlin (2001)

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Vom zentralen Bereich zum Spreebogen

Für die ab 1992 zu treffenden Standortentscheidungen hatte das Reichstagsvotum weit reichende Konsequenzen, denn dadurch wurden Spreebogen und Dorotheenstadt zum bevorzugten Standort für den Bundestag und das Bundeskanzleramt. Im März 1992 wurde mit den entsprechenden Vorgaben der internationale städtebauliche Wettbewerb Spreebogen ausgelobt – in enger Verzahnung mit dem Architekturwettbewerb zum Umbau des Reichstagsgebäudes als Haus des Deutschen Bundestags.* In städtebaulicher Hinsicht wurde dieser Raum am nördlichen Tiergartenrand damit zum bedeutungsvollen Entree des historischen Zentrums designiert. [ . . . ]


Das Band des Bundes

Der Spreebogen-Wettbewerb wurde im Februar 1993 von den Berliner Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank gewonnen, die schon in die Planungsverfahren zum „Zentralen Bereich“ involviert waren. Ihr Entwurf überzeugte das Preisgericht mit der äußerst kraftvollen Idee einer linearen städtebaulichen Struktur, welche die Spree an zwei Stellen überspannt und Exekutive wie Legislative, also durchaus heterogene Elemente, in einer Konfiguration gegenüberstellte.** Die große, auch international sehr positive Resonanz auf diesen Entwurf erklärte sich zu einem Gutteil aus seiner stadtgeschichtlichen Sensibilität. Dem Großmachtstreben des Nationalsozialismus, der eine gewaltige Nord-Süd-Achse durch die Berliner Innenstadt geplant hatte und hier in einer „Halle des Volkes“ kulminieren lassen wollte, setzten Schultes und Frank das „Band des Bundes“ entgegen. Die zweite Quelle der Akzeptanz dieses Entwurfs war sicherlich der Anspruch, den Ost- und den Westteil der gerade wiedervereinten Stadt mit dieser Formation wieder zu verklammern, eine idealistische, aber eingängige Metapher.

Den beiden Architekten gelang es 1995 schließlich auch, den architektonischen Wettbewerb für das im Westen des Bandes platzierte Bundeskanzleramt zu gewinnen – eine keineswegs selbstverständliche Entscheidung, die der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl erst nach halbjähriger Bedenkzeit traf. Den Wettbewerb für den Umbau des Reichstags gewann der britische Architekt Sir Norman Foster, allerdings nach einer langwierigen Überarbeitungsphase, in deren Verlauf Foster seinen ursprünglichen Entwurf auf massiv vorgetragene Wünsche des Auftraggebers hin radikal veränderte und schließlich die Idee der Kuppel verwirklichte. Der Wettbewerb für das östliche Glied des Bandes, den Bereich, in dem die Parlamentsgebäude entstehen sollten, wurde von dem Münchener Architekten Stephan Braunfels gewonnen, der nach einer Entscheidung der Auftraggeber auch zum Architekten für die Fortsetzung des Bandes zwischen Spree und Luisenstraße wurde.



* Vgl. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau mit Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Internationaler städtebaulicher Wettbewerb Spreebogen, Berlin-Bonn 1993.
** Vgl. Bundesministerium für Raumordnung (oben).

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