GHDI logo

Memorandum des US-Außenministeriums (20. Dezember 1958)

Seite 6 von 10    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Artikel eins des New Yorker Abkommens vom 4. Mai 1949 wurde durch Anordnung Nummer 56 der sowjetischen Militärregierung und des Oberbefehlshabers der sowjetischen Besatzungsstreitkräfte in Deutschland vom 9. Mai 1949 in Kraft gesetzt. Die Anordnung sieht vor, daß die Bestimmungen, die vor dem 1. März 1948 bezüglich der Verbindungen zwischen Berlin und den Westzonen in Kraft waren, wieder Gültigkeit erlangen. Der Absatz vier der sowjetischen Anordnung sieht insbesondere vor, daß das vor dem 1. März 1948 gültige Verfahren, das dem Militär- und Zivilpersonal der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungsstreitkräfte erlaubte, die Demarkationslinie an den Kontrollpunkten Marienborn und Nowawes ohne besondere Pässe zu passieren und das für alle anderen Kontrollpunkte vom Stab der Sowjetischen Militäradministration (SMA) ausgegebene Pässe verlangte, erneute Gültigkeit haben soll.

Der oben dargelegte historische Überblick zeigt einwandfrei auf, daß die Rechte der Vereinigten Staaten in Deutschland und in Berlin in keiner Weise von einer Duldung oder Hinnahme seitens der Sowjetunion abhängen. Diese Rechte resultieren aus der totalen Niederlage des Dritten Reiches und der darauf folgenden Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland. Diese Niederwerfung und diese Übernahme der Machtbefugnisse wurden als gemeinsame Unternehmen durchgeführt, bei denen allen Beteiligten gleicher Rang zukam. Die Rechte jeder Besatzungsmacht existieren unabhängig voneinander und bilden die Grundlage für die verschiedenen Abkommen, in denen die Gebiete und die Methoden, durch die diese Rechte ausgeübt werden sollen, festgelegt werden. Aus dieser Tatsache ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen.

Zunächst einmal ändern sich die spezifischen Rechte, die aus dem Abkommen über Besatzungszonen und über den Status von Berlin herrühren, weder in ihrer Natur noch in ihrem Ausmaß. Das Recht jeder Macht, als Besatzung in Berlin zu sein, ist dem Recht einer jeden Macht, als Besatzung in ihrer Zone zu sein, gleichrangig. Ferner ist das Recht der drei Westmächte auf freien Zugang nach Berlin als eine unerläßliche logische Folge ihres dortigen Besatzungsrechts vom gleichen Rang wie das Besatzungsrecht selbst. Die Sowjetunion hat den Westmächten die Rechte für den Zugang nach Berlin nicht verliehen. Sie übernahm ihre Besatzungszone unter der Voraussetzung des Bestehens dieser Zugangsrechte. Wenn dies nicht der Fall wäre und der Grundsatz gemeinsamer und gleicher Rechte nicht zuträfe, dann könnten zum Beispiel die Vereinigten Staaten jetzt von der Sowjetunion fordern, sich aus dem Teil der Sowjetischen Zone zurückzuziehen, der ursprünglich von amerikanischen Truppen besetzt worden war, und ihrerseits die Kontrolle über dieses Gebiet verlangen.

Da zweitens die Rechte der Besatzung und auf Zugang nicht von der Sowjetunion herrühren, haben die Sowjets keinerlei Befugnis, diese Rechte durch Aufkündigung von Aufkommen oder durch die vorgebliche Übertragung der Kontrolle über sie an Dritte aufzuheben. Die Sowjetunion kann diese Rechte nicht dadurch beeinträchtigen, daß sie Abkommen für null und nichtig erklärt, da die Rechte unabhängig von der Sowjetunion bestehen. Die Sowjetunion kann diese Rechte auch dadurch nicht beeinträchtigen, daß sie erklärt, sie fielen unter die Souveränität, die sie – wie sie behauptet – ihrem Marionettenregime in Ostdeutschland übertragen hat, weil wiederum diese Rechte auch weiter bestehen bleiben, unabhängig von jeder Handlung seitens der Sowjets. Gleichgültig, welche Beziehungen das ostdeutsche Regime zu den Sowjets unterhalten mag, so kann es in keinem Fall eine Befugnis in der (Berliner) Sowjetzone übernehmen, die die Sowjets überhaupt nicht übertragen können. Die vorausgehenden Ausführungen sind natürlich ohne direkten Bezug auf die Legalität des geplanten Schrittes der Sowjets, ihre feierlichen Verpflichtungen aufzukündigen; diese Frage wird im folgenden erörtert.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite