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Geheimer Bericht der sowjetischen Militärführung über die Ereignisse vom 17.-19. Juni 1953 (24. Juni 1953)

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Am 16. Juni schickten wir während des Tages ein warnendes Telegramm an unsere regionalen Vertreter, in dem wir sie über die Unruhen in Berlin unterrichteten und empfahlen, dass sie dringende Vorsichtsmaßnahmen und vorbereitende Schritte ergreifen, um Unruhen in den Regionen der DDR zu bewältigen. Wir rieten den Freunden (Ulbricht), die Regionen ebenfalls hiervor über SED-ZK-Kanäle zu warnen, doch ihnen fiel nichts besseres ein, als die leitenden Sekretäre der Regionalkomitees am 17. Juni „zur Instruktion“ nach Berlin zu bestellen und als Ergebnis dessen wurden die Regionen während der Unruhen am 17. Juni praktisch ohne hochrangige Parteiführer zurückgelassen.

Ungefähr um 7 Uhr morgens am 17. Juni setzten in Ost-Berlin und vielen Städten im Westen und Süden der DDR gleichzeitig Massenstreiks ein, die zu Demonstrationen wurden, welche sich in etlichen Städten (Berlin, Magdeburg, Herlitz, u.a.) in Aufstände verwandelten.

Den Provokateuren gelang es nicht, einen Generalstreik in Berlin auszurufen. Nach vorläufigen Zahlen streikten am 17. Juni allerdings 80 Tausend von insgesamt 200 Tausend Arbeitern. Außerdem beteiligten sich die größten Unternehmen an den Streiks: die Stalin Elektromaschinenfabrik, die „Bergman-Borzig [sic]“ –Fabrik, die sowjetischen Unternehmen „Siemens-Planya“, Kabelfabriken, und andere.

Nachdem sie die Arbeit niedergelegt hatten, bewegten sich viele Arbeiter in Marschkolonnen in Richtung Stadtzentrum zum Strausberger Platz, wo am Tag zuvor die Provokateure eine allgemeine Stadtversammlung einberufen hatten. Um 7:30 Uhr waren ungefähr 10 Tausend Menschen auf diesem Platz versammelt, die in getrennten Marschkolonnen zum DDR-Regierungssitz weitergingen und Banner mit den Aufschriften trugen: „Nieder mit der Regierung,“ „Wir fordern eine Senkung der Normen,“ „Wir fordern eine Senkung der KhO-Preise um 40%,“ „Wir fordern freie Wahlen.“

Um 9 Uhr morgens hatte sich eine Menge von 30 Tausend Menschen vor dem DDR-Regierungssitz versammelt, ein bedeutender Teil von ihnen bestand aus Einwohnern West-Berlins, welche die Hauptorganisatoren der Provokationen waren.

Den Aufständischen gelang es, die Linie der standhaften Polizisten zu durchbrechen, die zu diesem Zeitpunkt keine Waffen gebrauchten, und nachdem sie Steine nach ihnen geworfen hatten, brachen sie in den Regierungssitz ein, wo ein Pogrom verübt wurde. Die Polizeisicherheitskräfte des Regierungssitzes wurden verstärkt und zählten zum Zeitpunkt des Angriffs 500 Mann. Der Regierungssitz wurde erst mit Eintreffen der sowjetischen Streitkräfte wiedereingenommen, im Zusammenspiel mit denen übrigens die deutsche Polizei, nachdem sie teilweise von der Menge geschlagen wurde, sich aktiv an der Wiederherstellung der Ordnung beteiligte.

Gleichzeitig kamen in der Gegend des Alexanderplatzes große Kolonnen von Demonstranten aus den Gebieten Pankow, Weißensee und Köpenick zusammen.

Die Demonstrantenmassen belagerten unter aktiver Beteiligung der Provokateure das Gebäude des SED-ZK, das Berliner Polizeipräsidium, den Haupttelegrafen, die Verwaltung der städtischen Gewerkschaft und andere Gebäude. Auf dem Alexanderplatz und im Gebiet Pankow errichteten die Demonstranten Barrikaden und Blockaden. Bei zahlreichen DDR-Regierungsgebäuden wurden Fensterscheiben eingeschlagen.

An der Zonengrenze am Potsdamer Platz kam es zum Schusswechsel zwischen den Aufständischen und der Volkspolizei und 7 Polizisten wurden entwaffnet.

Die Provokateure betrieben ebenfalls einen Pogrom in dem Buchladen „Internationales Buch“ und im zentralen Kaufhaus „KhO“ am Alexanderplatz, steckten das bereits halb leere Kaufhaus Kolumbushaus am Potsdamer Platz in Brand, plünderten das „Defa“-Kino und zahlreiche öffentliche Gebäude. In anderen Stadtteilen kam es ebenfalls zu Plünderungen.

Die Mengen der Aufständischen bewegten sich durch die Stadt, riefen feindselige Slogans und sangen faschistische Lieder. Zahlreiche Gruppen von Provokateuren drangen zu den Stadtwerken durch, um Arbeiter zum Streik aufzurufen. In der Hauptsache versuchten sie, das Hauptelektrizitätswerk der Stadt, Klingenberg, abzuschalten, ebenso wie ein weiteres großes Elektrizitätswerk, Rummelsburg, und ein Gaswerk. Die Arbeiter dieser Werke bewiesen jedoch ein hohes Maß an Geistesgegenwärtigkeit und Organisation, da sie ihre Streikpostenkette um die Werksgebäude herum aufgebaut hatten und so die Provokateure nicht durchließen.

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