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Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

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Den Rest dieser Russen trafen wir in schrecklich verwahrlostem Zustande an, sie bewohnten die noch nicht fertiggestellte Baustelle, ohne jedeweden Schutz vor Kälte und Regen und starben in Massen. Ihre Leichen wurden zu Hunderten und Tausenden ganz oberflächlich in die Erde gekratzt und verbreiteten einen pestartigen Gestank. Später mussten wir diese Leichen ausgraben und der Verbrennung zuführen.

Eine Woche vor unserem Eintreffen in Auschwitz ist dort der erste jüd. Männertransport (die Mädchen wurden separat behandelt und hatten eine mit den Männern parallele Nummerierung. Die slowakischen Mädchen erhielten die Nummern 1 - 8000) 1.300 naturalisierte französische Juden aus Paris eingetroffen. Sie wurden beiläufig mit Nr. 27.500 beginnend nummeriert. Da wir - wie bereits erwähnt - Nummern mit 28.600 beginnend erhielten, ergibt sich, dass zwischen dem französischen und unserem Transport kein Männertransport in Auschwitz eingetroffen war. Den am Leben gebliebenen Rest dieser französischen Juden, etwa 700 an der Zahl, trafen wir in fürchterlich herabgekommenen Zustande in Birkenau an. Die fehlende Hälfte ist innerhalb der einen Woche gestorben.

In den drei fertigen Blocks waren untergebracht:

I. die sogenannte Prominencia - Berufsverbrecher und ältere polnische politische Häftlinge, die die Lagerverwaltung innehatten.

II. Rest der französischen Juden, ca. 700 an der Zahl.

III. slowakische Juden, anfangs 643. Nach einigen Tagen kamen auch die in Zwardon Zurückgebliebenen an.

IV. die noch heute lebenden Russen leben in dem noch nicht fertiggestellten Bau und auch im Freien. Ihre Zahl nahm derart rapid ab, dass sie keine nennenswerte Gruppe mehr repräsentierten.

Die slowakischen Juden arbeiteten zusammen mit dem Rest der russischen Gefangenen beim Bau, während die französischen Juden Erdarbeiten verrichten mussten. Nach 3 Tagen wurde ich zusammen mit 200 slowakischen Juden zur Arbeit in die deutschen Aufrüstungswerke nach Auschwitz kommandiert. Wir gingen zeitlich früh zur Arbeit und kehrten abends zurück. Wir arbeiteten in der Tischlerwerkstätte und bei Straßenbauten. Zu Essen bekamen wir zu Mittag 1 Liter Suppe aus Steckrüben und am Abend 30 dkg. schlechtes Brot. Die Arbeitsbedingungen waren von einer unvorstellbaren Härte, sodass die Meisten von uns, durch das Hungern und durch das ungenießbare Essen geschwächt, es nicht aushielten. Die Mortalität war erschreckend. Wir hatten täglich in unserer zweihunderter Gruppe 30 - 35 Tote. Sehr viele wurden von den Aufsehern "die Capos", ohne dass sie sich eine Schuld zukommen ließen, während der Arbeit einfach erschlagen. Der Ausfall, welchen die Gruppe durch das Sterben erlitt, wurde aus dem in Birkenau arbeitenden Teil täglich ergänzt.

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