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Ein ausgebürgerter ostdeutscher Dissident erläutert die Friedensbewegung (21. Juli 1983)

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Reden die Leute darüber, zum Beispiel im Betrieb?

Ja sicher, dann, wenn es publik wird. Immer dann, wenn die Sicherheitsorgane zugeschlagen haben. Man kann das ganz deutlich machen. Im November hat eine Schweigeminute stattgefunden. Da sprachen dann im Anschluß Passanten mit den Teilnehmern, es gab kleinere Diskussionsgruppen. Dann wars wieder weg. Dann sollte am 24. Dezember noch eine Schweigeminute stattfinden: Riesenaufgebot an Sicherheitsorganen, Kampfgruppen usw. Obwohl die Schweigeminute dann nicht stattgefunden hat, weil sie verhindert wurde, war das sofort Stadtgespräch in Jena. Oder die Kundgebung am 18. März. Wir kamen mit Plakaten rein und sind zusammengeschlagen worden. Sofort war das überall bekannt.

Pfingsten war es dann so, daß wir teilweise geduldet wurden, die Leute haben sich dann auch mit uns auseinandergesetzt. In einer ganz vorsichtigen Form natürlich, aber sie haben es erst mal versucht. Dann wurden wieder unsere Plakate heruntergerissen und da entstanden ein paar Diskussionen, es standen große Massen von ganz jungen FDJlern drumherum und einige von denen meinten dann: ja, wir sind auf eurer Seite. Und in Schwerin haben FDJler heruntergerissene Plakate wieder aufgehoben. Da spürt man die Bewegung, spürt man, was in den Leuten drin steckt und daß es hauptsächlich darum geht, diese Sachen nach Außen zu tragen. Uns gings ja genauso. Wir sind nicht stehengeblieben bei der Forderung nach Abrüstung, sondern haben die Widersprüche im täglichen Leben gesehen. Die werden zur Hauptsache in dem Moment, in dem man tiefer kommt, indem man nicht einfach sagt, es sind Raketen da, die sie gegen uns wenden, sondern indem man alles genau analysiert, was bedroht. Man sieht, daß das, was in der Armee abläuft, nicht der Friedenserziehung dient, genauso das, was in der Schule an militärischer Erziehung abläuft, bis hin zum Kriegsspielzeug, da muß man ansetzen. Aber sichtbar sind natürlich die Raketen. Man kommt aber dann soweit, zu erkennen, daß diese Militarisierung bestimmte Lebensabläufe kennzeichnet, die Unterordnung, die Entmündigung – und dann entwickelt man sich weiter. Es steht nicht mehr nur die Frage nach Abrüstung da, sondern die nach demokratischen Freiheiten, nach Menschenrechten.

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