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Auszug aus Clemens Fürst von Metternichs politischem Glaubensbekenntnis (1820)

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Bei einem solchen Verhalten werden die Monarchen zunächst ihre Pflichten ausüben können, wie sie ihnen von Jenem aufgegeben worden sind, indem Er ihnen die Macht anvertraut hat, nämlich sie beauftragt hat, über die Einhaltung der Gerechtigkeit und der Rechte des Einzelnen und der Gesamtheit zu wachen, Irrwege zu vermeiden und sicher auf den Pfaden der Wahrheit zu wandeln. Indem sie sich ausserhalb der Leidenschaften befinden, die die Gesellschaft aufrütteln, sind sie in Krisentagen hauptsächlich dazu aufgerufen, die Wirklichkeit ihrer falschen Erscheinung zu entkleiden und sich als das zu zeigen, was sie sind: Väter, bekleidet mit der vollen Autorität, die dem Oberhaupt der Familie zusteht, um zu beweisen, daß sie es verstehen, in Zeiten der Trauer gerecht, weise und deshalb auch stark zu sein, und daß sie angesichts des Spiels der Umstürzler und der daraus erwachsenden Fehler, die auf fatale Weise zur Niederlage der Gesellschaft führen müssen, das Volk nicht im Stich lassen, das zu regieren ihre Pflicht ist. Der Augenblick, in dem wir diese Gedanken hier niederschreiben, ist einer dieser Krisenmomente; diese Krise hat ein großes Ausmaß; sie wird entscheidend sein, je nachdem für welche Seite man Partei ergreift.

Es gibt eine gemeinsame Verhaltensregel für Menschen wie für Staaten, die sich aufgrund der Erfahrung von Jahrhunderten wie des Alltäglichen herausgebildet hat; diese Regel besagt: „Man solle nicht in aufgewühltem Zustand über Veränderungen nachdenken; die Weisheit besagt, daß man sich in solchen Momenten auf die Erhaltung des Überkommenen beschränkt.“

Mögen doch die Monarchen dieses Prinzip gründlich beherzigen und alle ihre Beschlüsse davon geprägt sein. Mögen doch ihre Handlungen, ihre Maßnahmen und sogar ihre Reden der Welt diese Entschlossenheit verkünden und beweisen; sie werden überall Verbündete finden. Indem die Regierungen das Stabilitätsprinzip durchsetzen, werden sie keineswegs die Fortentwicklung des Guten ausschließen, denn Stabilität bedeutet nicht Unbeweglichkeit. Es ist jedoch Pflicht derer, die mit der schweren Aufgabe des Regierens beauftragt sind, das Wohlergehen der Völker zu mehren. Es ist Aufgabe der Regierungen, nach Bedarf und Zeit hier das richtige Maß zu finden. Es ist nicht möglich, von Weisheit bestimmte Reformen zu verwirklichen, indem die Umstürzler sich gegenüber der legitimen Macht auf Konzessionen verständigen, zu denen sie weder das Recht haben, sie zu fordern, noch über die Fähigkeit verfügen, sie billigerweise einzuhalten. Unser sehnlichster Wunsch ist es, daß sich alles Gute, das machbar ist, erreichen läßt – was jedoch nicht Teil des Guten ist, soll nicht mit diesem verwechselt werden – und daß das wahrhaft Gute ausschließlich von denen verwirklicht wird, die sich unter dem Recht der Autorität vereinigen und über die Mittel zur Umsetzung verfügen. Dies muß auch der ernsthafteste Wunsch der Völker sein, die nur allzusehr auf ihre Kosten gelernt haben, den Wert bestimmter Phrasen und den wahren Charakter bestimmter Schmeicheleien einzuschätzen.

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