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Bundestagsdebatte zur Nachrüstung (10. Oktober 1981)

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Als nahezu unfaßbar bewertete es der Oppositionsführer, daß Brandt in seiner Rede den Eindruck zu erwecken versucht habe, als brauche der Unvereinbarkeitsbeschluß über das Zusammenwirken von Sozialdemokraten und Kommunisten bei der Demonstration am Samstag nicht angewendet zu werden, obwohl doch vermutlich zehntausend oder mehr SPD-Mitglieder und Sympathisanten unter den Teilnehmern sein würden. Man müsse sich bewußtmachen, daß das SPD-Präsidiumsmitglied Eppler ebenso wie das FDP-Vorstandsmitglied Borm unter den Rednern dieser Demonstration seien und daß die von ihnen geforderte Politik auf die Einfrierung der militärischen Überlegenheit der Sowjetunion hinauslaufe. Würde die Bundesrepublik, so wie es die Veranstalter forderten, den Nato-Doppelbeschluß widerrufen, so träfe dies im Kern die Mitgliedschaft der Bundesrepublik im Bündnis und es stellte all das in Frage, worauf die Bundesrepublik seit dreißig Jahren aufgebaut sei. Es wäre die Pflicht Brandts gewesen, meinte Kohl, hier im Sinne von Kurt Schumacher für Klarheit zu sorgen, statt über die Teilnahme der Kommunisten im Gegensatz zu den klar verurteilenden Worten des Bundeskanzlers hinwegzureden.

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„Der gute Wille genügt leider nicht, um die Welt zu ändern. Wenn man das will, muß man sich sehr tief bücken . . . Denn dort unten liegen die Steine und Hindernisse, die man wegrücken muß, wenn man die Welt verändern will.“ So hatte Schmidt seinen verstorbenen Parteifreund Carlo Schmid zu Beginn seiner Rede zitiert. Was Carlo Schmid 1956 zur atomaren Problematik gesagt habe, gelte unverändert fort. Er verstehe die Sorge vieler Menschen um den Frieden und ihre Suche nach „Gleichungen, die ohne Rest aufgehen.“

Die Sorge um den Frieden sei berechtigt. Auch er habe Angst gehabt, als nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan das Gespräch zwischen den Weltmächten abgerissen sei. Aber Angst haben reiche nicht, man müsse die Gründe hierfür angehen. Dies sei geschehen, und wenn Moskau und Washington heute wieder miteinander redeten, so habe die Bundesregierung dazu „weiß Gott“ ihr Teil beigetragen. Wenn er bereit sei, die Jugend ernstzunehmen, so erwarte er allerdings, daß die Jugend die Sorgen „unserer Generation“ und ihre Erfahrungen, zu denen die Katastrophe des Krieges gehöre, ebenso ernstnehme. Angst könne die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik lähmen, und sie sei für die Bundesrepublik heute noch nötiger als sonst. Der Bundeskanzler gab zu verstehen, daß er seine Handlungsfähigkeit als Regierungschef durch die Demonstranten und ihre Organisation gefährdet sieht, weil dadurch die innenpolitische Grundlage seiner Regierung zu zerbröseln drohe: „Ist das gewollt, wollen die Veranstalter dies?“ fragte Schmidt. Ihm falle es schwer zu verstehen, daß Organisatoren und Redner der Demonstration, die Bemühungen seiner Regierung um die Sicherung des Friedens nicht anerkennen wollten. Ohne seine Bemühungen wäre es nach seinem eigenen Urteil nicht zu den am 30. November beginnenden Verhandlungen über die Mittelstreckenwaffen gekommen.

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