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Warnungen in den Medien vor „Waldsterben und saurem Regen” (1983)

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Daß es mit am sauren Boden liegt, wenn Buchensamen nicht keimen, Bäume allmählich von innen verfaulen, schneller altern oder Schädlingen, Stürmen, Frost und Dürre nur wenig Widerstand entgegenzusetzen vermögen – auch das erschließt sich Spaziergängern meistens nicht. Naturferne Städter, die kaum eine Tanne von einer Fichte unterscheiden können, übersehen in der Regel auch, daß die unscheinbaren, hochsensiblen Flechten von den Bäumen verschwinden, daß die Borke sich vom Stamme löst, daß Nadeln vergilben und Kronen sich allmählich lichten.

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Wahrnehmbar allerdings, auch für Laien, ist das Endstadium des Waldsterbens – wenn durch die von Baumart zu Baumart, von Baumindividuum zu -individuum, von Standort zu Standort, von Jahr zu Jahr unterschiedliche Kombination von Luftverschmutzung und Bodenqualität, Witterungsbedingungen und Schädlingsbefall der Baumbestand vollends zerstört ist.

Im tschechischen Erzgebirge, im Dunstkreis von Braunkohle-Kraftwerken und Hydrieranlagen, ist dieser Zustand eingetreten: Auf Zehntausenden von Hektar stehen dort, nur eine Autostunde von der bayrischen Staatsgrenze entfernt, dürre, graue Holzskelette, die kaum mehr als ehemalige Fichten zu identifizieren sind.

Auf den Höhen des Erzgebirges, einst eine der üppigsten Waldlandschaften im Herzen Europas, ist die Vegetation nach anderthalb Jahrzehnten währendem Siechtum binnen kürzester Zeit gleichsam umgekippt, offenbar unwiderruflich: In den verseuchten Bergen, in denen kaum ein Vogel singt, kein Tourist spaziert und das Quellwasser ungenießbar ist, sterben Neuaufforstungen nach kurzer Zeit ab, und auf Acker- und Gartenland gedeihen nur noch selten Kartoffeln, Roggen oder Gemüse.

Der BUND, der letztes Jahr eine Besichtigungstour durch die ökologischen Trümmerfelder im Erzgebirge unternahm, warnt: „Ein ähnliches Schicksal droht in den nächsten Jahren den Hochlagen des Bayerischen Waldes, des Oberpfälzer Waldes, des Fichtelgebirges, des Schwarzwaldes, des Harzes, aber auch unersetzbaren Wäldern des Flachlandes.“ Bereits „im Jahr 2000“, so auch Gerd Billen vom BBU, werde Westdeutschland „in weiten Teilen versteppt sein.“

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Quelle: „Wir stehen vor einem ökologischen Hiroschima“, Der Spiegel, 14. Februar 1983, S. 76-84.

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