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Werner Sombart, Händler und Helden (1915)

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Hier möchte ich nur vor dem Irrtum warnen, als ob ich die Bezeichnungen Händler und Held im beruflichen Sinne faßte. Das ist natürlich nicht der Fall und kann es nicht sein, wenn ich diese Ausdrücke anwende, um Gegensätze der Weltanschauung zu bezeichnen. Denn diese ist nicht mit Naturnotwendigkeit an bestimmte Berufe gebunden. Es handelt sich also um händlerische oder heldische Gesinnung, und es ist wohl möglich, daß jemand, den das Schicksal dazu bestimmt hat, mit Pfeffer und Rosinen zu handeln, ein Held (der Gesinnung nach) sei, während wir es täglich erleben, daß ein Kriegsminister ein „Händler" ist, weil er die Seele eines Krämers und nicht eines Kriegers hat.

Eine Weltanschauung hat zunächst der einzelne Mensch, und so leben denn auch Händlerseelen und Heldenseelen nebeneinander in demselben Volke, in derselben Stadt. Ich behaupte aber einen Völkerkrieg um Weltanschauungen und behaupte also auch, daß Händler und Helden im Kampfe stehen. Demnach müssen wir auch ganze Völker in dem einen oder anderen Sinne charakterisieren können. Das geschieht, indem wir die Seele eines Volkes, seinen Geist, sein Wesen zu erfassen trachten. Diese „Volksseele", dieser „Volksgeist" — mögen wir ihn metaphysisch oder rein empirisch fassen — ist jedenfalls ein Etwas, dessen Bestand nicht geleugnet werden kann, das ein selbständiges Dasein hat neben und über allen einzelnen Angehörigen eines Volkes, das bleiben würde, obschon alle Menschen stürben, das bis zu einem gewissen Grade sich gegen die lebendigen Einzelpersonen selbständig behaupten kann. Diese Volksseele spricht aus tausend Eigenheiten eines Volkes (und wird bei jedem Volke anders erkannt werden müssen): aus Philosophie und Kunst, aus Staat und Politik, aus Sitten und Gewohnheiten.

In diesem Sinne lassen sich Völker auch als Händlervölker und Heldenvölker unterscheiden, und solcherweise stehen händlerische und heldische Weltanschauung in diesem großen Kriege im Kampfe um die Vorherrschaft. Ihre Träger aber, die beiden Völker, die repräsentativ die Gegensätze vertreten, sind die Engländer und die Deutschen. Und nur als englisch-deutscher Krieg bekommt der Weltkrieg von 1914 seine tiefere welthistorische Bedeutung. Nicht aber wer die Meere beherrschen soll, ist die wichtige Menschheitsfrage, die jetzt zur Entscheidung steht; viel wichtiger und alles Menschenschicksal in sich fassend ist die Frage: welcher Geist sich als der stärkere erweist: der händlerische oder der heldische.

Deshalb müssen wir uns diesen Gegensatz, der alle Tiefen und alle Weiten der Welt umspannt, zu völlig klarem Bewußtsein bringen. Und dabei mitzuhelfen, ist die Aufgabe dieser Schrift, in der ich erst den englischen, dann den deutschen Geist schlicht beschreiben will, um sie dann gegeneinander abzuwägen und die unvergleichliche Überlegenheit des deutschen Geistes dem deutschen Leser — für einen anderen schreibe ich nicht — vor die Seele zu stellen, auf daß er seiner Deutschheit wieder froh werde.



Quelle: Werner Sombart, Händler und Helden. München und Leipzig: Duncker und Humblot, 1915, S. 3-6.

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