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Brandt-Besuch in der DDR (23. März 1970)

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Gewiß nicht in Unkenntnis dieser auf lange Sicht unabweisbaren Gefahren war die DDR-Führung am Tag von Erfurt wie danach auf ein Hauptziel fixiert: auf die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik und damit die vertragliche Absicherung der bestehenden Zustände (Status quo) in Deutschland und Europa.

DDR-Ministerpräsident Willi Stoph nachts nach dem Treffen mit Willy Brandt: „Man kann keinen Bogen um die Herstellung normaler, gleichberechtigter Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten auf der Grundlage des Völkerrechts, um die Anerkennung der europäischen Grenzen und die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges machen."

DDR-Staatsratsvorsitzender und SED-Chef Walter Ulbricht am Tag danach im thüringischen Suhl: „Deshalb fordert das Volk der Deutschen Demokratischen Republik nachdrücklich und mit vollem Recht von seiner Staatsführung, daß Vereinbarungen über Teilaspekte der Normalisierung durch einen völkerrechtlichen Grundsatzvertrag über gleichberechtigte, nicht diskriminierende Beziehungen gesichert werden müssen."

Erst nach Abschluß eines solchen Vertrages, so Ulbricht, „werden wir zweifellos über manche Teilfragen mit uns sprechen lassen und über viele Fragen übereinkommen können" – wobei offenbleibt, ob er darunter versteht, was Bonn darunter verstanden wissen möchte (menschliche Erleichterungen vom Reiseverkehr bis zum gesamtdeutschen Fußballturnier) oder womöglich die Forderung, für die Flüchtlingsabwanderung in den Jahren vor dem Mauerbau von Bonn 100 Milliarden Mark Schadenersatz zu kassieren.

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Quelle: „Wo wären wir“, Der Spiegel, 23. März 1970, S. 29-32.

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