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Die zweite Einwanderergeneration spricht sich für gegenseitige Akzeptanz aus (13. Mai 1982)

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Die Fähigkeit sich anzupassen – eine Sprache zu erlernen, eine neue Kultur zu erfassen – ist weitgehend abhängig vom Bildungsniveau. Deshalb ist das Integrationsproblem für mich in erster Linie ein Bildungsproblem. Sonst kann keine Integration stattfinden. Wenn die deutsche Mehrheit nicht bereit ist, die Minderheit der Ausländer aufzunehmen, zu fördern und in diesem Erziehungsprozeß (Sozialisationsprozeß) sogar eine führende Rolle zu übernehmen, kann auch keine Integration stattfinden.

„Integration“ kann für die erste Generation der Ausländer nur bedeuten: die „Spielregeln“ der Gesellschaft erlernen, solange sie in der Bundesrepublik leben. Ich bin der Überzeugung, daß ein erheblicher Teil der ersten Ausländergeneration spätestens im Rentenalter in ihre Heimat zurückkehren wird.

Für die zweite Ausländergeneration der hier geborenen oder im Kleinalter eingereisten Kinder der ausländischen Arbeitnehmer muß aber eine wahre Eingliederung angestrebt werden in diesem Sinne: Entstehung eines Gefühls der Zusammengehörigkeit und Schicksalsgemeinschaft; denn eine tatsächliche Integration muß im Gefühlsbereich der Menschen stattfinden. Das ist nur dann erreichbar, wenn der heranwachsenden Ausländergeneration ein Gefühl der Gerechtbehandlung und Gleichbehandlung vermittelt werden kann – vor allem im Bildungsbereich, durch die Gesetzgebung und durch die Gesellschaft.

Ein Jahr Deutschunterricht vor Berufsausbildung und Schule

Je mehr deutsche Bürger mit türkischer, griechischer usw. Abstammung mit gleichen Rechten und Pflichten im juristischen und politischen Bereich hier leben, der deutschen Sprache mächtig sind und den Durchbruch zu einem höheren sozialen Status und zu höheren Berufen geschafft haben, desto schneller wird sich das „Image“ der ausländischen Minderheit in der deutschen Gesellschaft verändern.

Ohne ins Detail gehen zu wollen, möchte ich auf einen Grundsatz hinweisen: Weg von Provisorien und Sondermaßnahmen, die die Benachteiligung und Sonderstellung der ausländischen Jugendlichen eher fortsetzen als aufheben, weil sie keine anerkannten Abschlüsse oder berufliche Qualifikationen erreichen, zum Beispiel die Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und sozialen Eingliederung junger Ausländer (MBSE).

Ein einjähriger Intensivdeutschkursus unter der Aufsicht des Kultusministeriums vor dem Berufsvorbereitungsjahr (und vor dem Eintritt in die Hauptschulklassen) ist nach meiner Überzeugung die einzig realistische Lösung des Sprachproblems. Das Ziel sollte sein: erst das Erlernen der deutschen Sprache, dann ein gezielter Übergang zu der normalen Schullaufbahn. Das könnte wie bei den deutschen Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß erfolgen: nämlich erst Berufsvorbereitungs-, dann Berufsgrundbildungsjahr, dessen erfolgreicher Abschluß den Erwerb des Hauptschulabschlusses ermöglicht. Die beträchtlichen Summen für solche Sondermaßnahmen hätten nach meiner Überzeugung einen viel wirkungsvolleren gesellschaftlichen Nutzen, wenn sie in überbetriebliche Ausbildungsplätze für deutsch-ausländische gemischte Gruppe investiert worden wären.

Ich halte die gutgemeinten Empfehlungen für Ausländer, ihre kulturelle Identität zu wahren und zu fördern, für unrealistisch. Nirgendwo gibt es Beispiele dafür, daß Minderheiten über Generationen hinweg ihre kulturelle Identität in einer Majorität intakt gewahrt haben. Eine bewußte gesteuerte Fortführung der national-kulturellen Identität halte ich langfristig nicht für sinnvoll.

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