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Uneingeschränkter U-Boot-Krieg (22. Dezember 1916)

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III.
Läßt schon die bisher geleistete Arbeit im Kampfe gegen den Schiffsraum ein weiteres Vorgehen auf diesem Wege für uns aussichtsreich erscheinen, so hat der ungewöhnlich schlechte Ausfall der diesjährigen Welternte in Brotfrucht und Futtermitteln uns eine ganz einzigartige Gelegenheit in den Schoß geworfen, die nicht auszunutzen niemand verantworten kann. Nordamerika und Kanada werden voraussichtlich schon von Februar ab so gut wie kein Getreide mehr an England abgeben können. Dann muß dieses seine Versorgung auf dem weiten Wege von Argentinien, und da Argentinien infolge seiner schlechten Ernte nur wenig liefern kann, aus Indien und im der Hauptsache aus Australien beziehen. In der Anlage ist im einzelnen ausgeführt, daß eine solche Verlängerung des Weges der Zufuhr für unsere Gegner ein Mehr an Schiffsraum von 720 000 t für die Getreidefracht beansprucht. Praktisch genommen heißt das, daß bis zum August 1917 von den verfügbaren 10¾ Millionen Tonnen ¾ Millionen für eine Leistung in Anspruch genommen werden, die bisher gar nicht notwendig war.

IV.
Unter so günstigen Vorbedingungen verspricht ein energisch und mit aller Kraft geführter Schlag gegen den englischen Schiffsraum unbedüngt sicheren Erfolg, so daß ich meine Äußerung vom 27. August 1916: „Unsere klar erkennbare Kriegsaufgabe ist darnach, jetzt durch Vernichten vom Transportraum die Entscheidung zu unseren Gunsten herbeizuführen", und weiter: „Vom militärischen Standpunkte läßt sich nicht verantworten, von der Waffe des U-Bootes auch jetzt noch keinen Gebrauch zu machen" nur wiederholen und stark unterstreichen kann. Ich stehe nicht an zu erklären, daß wir, wie die Verhältnisse jetzt liegen, mit uneingeschränktem U-Boot-Krieg in fünf Monaten England zum Frieden zwingen können. Dies gilt jedoch nur vom uneingeschränkten U-Boot-Krieg; von dem zurzeit geführten U-Boot-Kreuzerkrieg auch dann nicht, wenn alle bewaffneten Schiffe zum Abschuß freigegeben werden.

V.
Ausgehend von der früher bereits als Monatsleistung genannten Vernichtung von 600 000 t Schiffsraum durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und der in der Anlage näher begründeten Erwartung, daß durch ihn mindestens zwei Fünftel des neutralen Schiffsverkehrs von der Fahrt nach England von vornherein abgeschreckt werden, läßt sich errechnen, daß der englische Seeverkehr nach fünf Monaten um etwa 39% des heutigen zurückgegangen sein wird. Dies würde England nicht ertragen können, weder im Hinblick auf die Verhältnisse nach dem Kriege, noch auch bezüglich der Möglichkeit, den Krieg fortzusetzen. Es steht heute schon vor einer Lebensmittelnot, die es zwingt, den Versuch zu machen, dieselben Streckungsmaßnahmen einzuführen, zu denen wir im Laufe des Krieges als blockiertes Land haben greifen müssen. Die Voraussetzungen für eine derartige Organisation sind von vornherein in England völlig anders, und zwar unvergleichlich viel ungünstiger als bei uns. Es fehlt an Behörden, und es fehlt an der Erziehung des Volkes zu entsprechender Einordnung in solchen Zwang. Noch aus einem anderen Grunde wird die gleichmäßige Herabsetzung der Brotration für die ganze Bevölkerung sich in England jetzt nicht mehr durchführen lassen. Sie war in Deutschland zu einer Zeit möglich, als vorübergehend andere Lebensmittel die plötzliche Verringerung der Brotration ausgleichen konnten. Dieser Augenblick ist in England verpaßt und kann durch nichts zurückgebracht werden. Mit etwa drei Fünftel des Seeverkehrs läßt sich aber die Lebensmittelversorgung ohne gleichmäßige kräftige Rationierung des Brotgetreideverbrauches bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Kriegsindustrie nicht durchführen. Der Einwand, daß England genügend Brotgetreide und Rohstoffe im Lande haben könnte, um über die Gefahrzeit bis zur nächsten Ernte wegzukommen, ist in der Anlage ausführlich widerlegt.

Dazu kommt, daß der uneingeschränkte U-Boot-Krieg für England mit dem Wegfall der Versorgung aus Dänemark und Holland sofort die Fettnot bedeuten würde, da ein Drittel der ganzen englischen Buttereinfuhr aus Dänemark kommt und die gesamte Margarinezufuhr aus Holland. Ferner bedeutet es Verschärfung des Erz- und Holzmangels durch Bedrohung der Erz- und Holzzufuhr aus Skandinavien bei gleichzeitigem schärferen Erfassen der spanischen Erzzufuhr. Damit wird unmittelbar die Kohlenförderung verringert, da das dazu nötige Holz nicht mehr aufzubringen sein wird, ferner die Eisen- und Stahl- sowie die von beiden abhängige Munitionserzeugung. Schließlich gibt er uns endlich die so lange ersehnte Gelegenheit, wirksam gegen die neutrale Munitionszufuhr vorzugehen und damit der Armee eine Erleichterung zu verschaffen.

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