gehandhabt wird, hat er keine Ahnung. Auf dem Gebiete des Genre, um den landläufigen Ausdruck zu gebrauchen, ist ihm Liebermann vollständig entgangen; und statt Uhde mit Auszeichnung zu nennen, weiß er von modernen Malern religiöser Stoffe nur zwei ganz inferiore Leute anzuführen. Und dieser Herr, der offenbar meist die Augen schließt, wenn er eine moderne Kunstausstellung besucht, steht an der Spitze eines Institutes, auf dessen Leistung[s]fähigkeit die werdenden Künstler angewiesen sind. Wahrhaft erheiternd ist Werners Zusammenstellung berühmter Porträtmaler. Neben Rembrandt steht da Bonnat, neben Holbein Anton Graff, neben Reynolds Gustav Richter. Und ganz köstlich ist die Stelle seiner Rede, wo er sich darüber aufregt, daß ein Kunstgelehrter sagt, Manet habe die Pleinair-Malerei entdeckt, als er einst Frau de Nittis im Garten malte. Das habe der große Werner vor Manet getan. Und dann die törichte Behauptung, daß die neue Richtung sich nur durch Agitation, Reklame und marktschreierische Anpreisungen auf der Höhe halte. Es hat keinen Zweck, die Widersinnigkeiten dieser Rede nach der Reihe anzuführen. Sie setzt – und darin liegt wieder die namenlose Überhebung des Herrn von Werner – bei den Akademieschülern eine Ignoranz voraus, die in einer Stadt wie Berlin, wo sie nur die Augen aufzumachen brauchen, unglaublich erscheinen muß. Aber war es nun schon unklug von Werner, seine Prodomo-Rede mit allen angreifbaren Punkten durch Druck der Kritik zugänglich zu machen, so setzte er seinem Tun die Krone auf, als er, ebenfalls in der Vossischen Zeitung, eine Danksagung für die vielen ihm zugegangenen Beifallsäußerungen veröffentlichte. Er hat damit wieder einmal gezeigt, daß ihm zur Verherrlichung des Namens Werner alle, auch die gröbsten Mittel willkommen sind.
Wenn man nun weiß, daß Herr von Werner zu den Malern gehört, die den Kaiser in künstlerischen Dingen beraten, so kann man nicht überrascht sein, daß sich so viel künstlerische Unbedeutendheit in die Nähe des Thrones wagt und keiner der Maler, die der Kunst unserer Tage das Gepräge geben, in höfischen Sphären zu finden ist. Herr von Werner hat selbst das größte Interesse daran, daß der Hof »nationale Kunst« und »patriotische Kunst« für gleichbedeutend hält, und da seine Malerei mehr Arbeit als Kunst ist, liegt ihm natürlich auch daran, bei Hofe Arbeit über Kunst gestellt zu sehen. Und wie der Akademiedirektor dafür sorgt, daß seine Schüler möglichst schlechte Begriffe von moderner Kunst bekommen, wird er auch dahin zu wirken suchen, daß man diese Kunst bei Hofe für »widerlich« und ihre Leistungen für »wertloses Blech« hält. Gerade darum aber ist es nötig, auf Herrn von Werners grobe Unwissenheit in bezug auf moderne Kunst hinzuweisen und festzustellen, welche Charaktereigenschaften den Hauptberater des Kaisers in Kunstdingen auszeichnen. Von der Trivialität seiner eigenen Kunst hat aber wohl noch nie ein Maler ein klassischeres Zeugnis abgelegt als Herr von Werner, da er sagte: »Für historische Ungenauigkeiten habe ich kein Verständnis und keine Entschuldigung. Das kommt vielleicht von dem unausgesetzten Naturstudium des Künstlers, das mir zur zweiten Natur geworden ist und das mir nicht erlaubt, da neun Knöpfe zu malen, wo naturgemäß nur deren acht möglich sind.« Herr von Werner begreift nicht, warum man ihn nicht für einen großen Künstler hält. Sein ärgster Gegner könnte keinen besseren Grund dafür angeben, als er selbst es mit diesen eitlen Worten getan hat.
Quelle: Hans Rosenhagen, „Die nationale Kunst in Berlin“, in Die Zukunft 20 (1897), S. 428-34.
Abgedruckt in Jürgen Schutte und Peter Sprengel, Berliner Moderne 1885-1914. Stuttgart, 1987, S. 546-50.