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Friedrich Diesterweg: „Pädagogisches Krebsbüchlein” (1856)

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8. Wie man das geistige Leben der Kinder zugrunde richtet

1. Sätze und Redensarten nachsprechen lassen, die sie nicht verstehen;
2. ihnen im Alter der Unmündigkeit Glaubensbekenntnisse vorlegen und dieselben als ihre Überzeugung aussprechen lassen;
3. sie zum Mitmachen von Zeremonien und symbolischen Handlungen anleiten, deren Verständnis für die Kinder unmöglich ist;
4. ihnen die Religion, in der sie erzogen werden, als die allein-seligmachende darstellen, und lehren, daß alle Andersdenkenden und Andersglaubenden in Irrtum befangen oder in Verstockung versunken oder gar der Verdammnis bestimmt seien;
5. ihnen Glauben an Dinge einpflanzen, von welchem man gewiß sein kann, daß er, wenn sie herangewachsen unter gebildete Menschen kommen, sie wieder verläßt, z. B. den Wunderglauben und andere Arten des Glaubens und Aberglaubens; die mit der fortgeschrittenen Kultur nicht mehr harmonieren;
6. den Wert der Menschen nach Geburt, Stand, Vermögen und anderen Äußerlichkeiten beurteilen und danach behandeln lehren;
7. sie nach der Konfession ihrer Eltern (nach der Verschiedenheit der Kirchen) voneinander absondern (Konfessionsschulen);
8. sie aus Glaubensgründen zu inhumanen Gesinnungen, zu Intoleranz und anderen Unsittlichkeiten verleiten, den „wahren Glauben" von der echten Liebe trennen;
9. ihnen einreden, daß sich die Seele durch äußere Handlungen von sündhaften Gesinnungen und Sündenstrafen befreien könne;
10. durch Lehre, Beispiel und die gesamte Erziehung in Schule und Familie darauf es anlegen, daß sie sich (nach Möglichkeit) niemals von der Abhängigkeit von andern im Denken, Glauben und Handeln (vom Autoritätsglauben) befreien;
11. sie zu rein passivem, rezeptivem Lernen verurteilen, ohne ihre schaffende Kraft zu wecken, und ihnen dadurch alles Vertrauen zu selbständigem Tun rauben;
12. ihnen das Streben nach irdischem Glück als das Höchste vorhalten und sie von allem idealen Streben zurückhalten.

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