Die „goldenen Jahre“ der Weimarer Republik, wie die mittlere Phase von 1924 bis 1929 bezeichnet worden ist, kamen mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 zu einem jähen Ende. Die Auswirkungen des Börsencrashs in den USA breiteten sich schon bald auch nach Deutschland aus. Im Frühjahr 1930 befand sich dessen Wirtschaft im freien Fall, als amerikanische Banken die Rückzahlung ihrer kurzfristigen Kredite von Unternehmen und Regierungsinstitutionen forderten. Das Kapital schwand, was zu einer abrupten Produktionsabnahme führte und schließlich zu einem verheerenden Mangel an Nachfrage, da weder Konsumenten noch Produzenten über die erforderlichen Ressourcen zur Marktteilnahme verfügten. Zur Mitte des Jahres 1932, dem Höhepunkt der Krise, war ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos. Selbst das ehemals unantastbare Beamtentum sah sich mit Gehalts- und Pensionskürzungen sowie Entlassungen konfrontiert. Innerhalb von nur einer Generation hatte die deutsche Bevölkerung die Schrecken sowohl totaler Kriegsführung als auch einer Hyperinflation durchlebt. Nun stand ihr eine Wirtschaftskrise beispielloser Dimension bevor.
Die politischen Konsequenzen waren unmittelbar. Die Große Koalition zerbrach an der Frage der Arbeitslosenversicherung. Die Verfasser des Gesetzes von 1927 hatten eine Steuerreserve für den Fonds eingerichtet, der Arbeitnehmer in Zeiten vorübergehender Arbeitslosigkeit unterstützen sollte. Niemand hatte jedoch mit langfristiger Massenarbeitslosigkeit vom Ausmaß der Wirtschaftskrise gerechnet. So ging der Arbeitslosenfond schnell bankrott. Sozialdemokraten und reformorientierte Katholiken forderten erhöhte Zahlungen, um die Arbeiter vor einer Krise zu schützen, die sie nicht verschuldet hatten. Die Konservativen forderten gemäß der typischen zeitgenössischen wirtschaftlichen Denkweise erhebliche Kürzungen des Arbeitslosengeldes, um die Zahlungsfähigkeit des Staates zu garantieren. Die Regierung stürzte schließlich, und im März 1930 ernannte Reichspräsident Paul von Hindenburg den konservativen Katholiken Heinrich Brüning zum Reichskanzler.
Von diesem Moment bis zur Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 wurde Deutschland als Präsidialdiktatur regiert. Die deutsche Bevölkerung hatte nach wie vor eine große Bandbreite politischer Freiheiten. Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit waren noch immer geschützt, und die Deutschen machten ausgiebig Gebrauch von den ihnen eingeräumten Freiheiten. Doch spalteten tiefgehende ideologische Konflikte das parlamentarische System und machten Deutschland so praktisch unregierbar, während Nazis und Kommunisten auf der Straße für Unruhen sorgten. Im Reichstag konnte keine arbeitsfähige Mehrheitsregierung gebildet werden, insbesondere nachdem die Nazis in der Reichstagswahl von 1930 18,3% der Stimmen und 107 Sitze gewonnen hatten. Brüning berief sich auf Artikel 48 der Weimarer Verfassung, um per Notverordnung zu regieren. Seine Rolle wird bis heute kontrovers diskutiert, doch steht fest, dass er die Wirtschaftskrise nutzen wollte, um rechtskonservative Ziele durchzusetzen: den Sturz des Weimarer Systems und des Versailler Friedensvertrages. Er strebte ein ausdrücklich christliches, konservatives, autoritäres und kaiserliches Deutschland an. Seine Nachfolger Franz von Papen und Kurt von Schleicher verfolgten den gleichen Kurs und waren in noch größerem Maß bereit, sich mit den Nazis einzulassen, um der Demokratie in Deutschland ein Ende zu setzen. Währenddessen hielt die Wirtschaftskrise 1932 unverändert an und führte den republikfeindlichen Parteien Unterstützung zu.
Die Nazis waren schließlich diejenigen, welche die Gelegenheit am meisten ausnutzen. In ideologischer Hinsicht erfanden sie nichts Neues. Ihr virulenter Antisemitismus, allgemeiner Rassismus, der tiefgründige Hass gegen die Republik und alles, wofür sie stand, das starke Verlangen nach einer mächtigen Führungsfigur sowie die Entschlossenheit, die Vorherrschaft über Europa und darüber hinaus zu erlangen, basierten auf tief verwurzelten Ansichten der politischen Rechten in Deutschland. Die Nazis waren jedoch begabte politische Organisatoren. Sie setzten die neuen Medien der 1920er Jahre wie Film und Radio wirksam ein. Hitler nahm das Land per Flugzeug ein, er war der erste deutsche Politiker, der per Flugzeug reiste. Nazi-Parteifunktionäre drangen in jeden Winkel des Landes vor und machten auch vor den abgelegensten Dörfern und den ihrer Partei feindlich gesinnten Arbeitervierteln nicht halt. Mit ihren Massendemonstrationen, Straßenkundgebungen und brutalen, konfrontativen Taktiken trugen sie zum Entstehen der modernen Politik als Spektakel bei.
Die Frage, ob die Unterstützung, welche die Nazis in der Bevölkerung fanden, mit ihrem Antisemitismus zu erklären ist, wird ebenfalls bis heute kontrovers diskutiert. Das jüdische Leben hatte in Deutschland einschließlich der Weimarer Republik eine Blütezeit erlebt, wenngleich es in den 1920er Jahren häufiger zu antisemitischen Übergriffen kam. Als Reaktion darauf gründeten einige Juden Selbstschutzorganisationen. Insgesamt blieb die jüdische Gemeinde Deutschland und den durch ein liberales politisches System gewährten Freiheiten verbunden. Die Nazis verschärften den in Deutschland vorhandenen Antisemitismus systematisch und machten aus den Juden den allgegenwärtigen Rassenfeind. Nur durch die Vernichtung und Beseitigung der Juden, so behaupteten die Nazis, könne die arische Rasse gedeihen und aufblühen – Saul Friedländer hat dies als den „erlösenden Antisemitismus“ der Nazis bezeichnet. Für viele Deutsche war der Antisemitismus der Nazis zumindest akzeptabel. Selbst wenn sie radikalere Äußerungen der Judenfeindlichkeit ablehnten, so glaubten doch viele Deutsche, dass die Juden eine zu gewichtige Rolle in der deutschen Politik, Gesellschaft und Kultur eingenommen hatten und dass deren Einfluss auf irgendeine Weise eingeschränkt werden müsse. Dennoch waren es in größerem Maß die politische und wirtschaftliche Krise als der Antisemitismus, welche den Nazis die Wählerstimmen verschafften.
Den Nazis gelang es schließlich, die etablierte und die radikale Rechte zusammenzuführen. Die traditionelleren Elemente glaubten, die Nazis instrumentalisieren zu können, um die Republik abzuschaffen. Die Nazis wiederum planten, die etablierte Rechte zu benutzen, um an die Macht zu gelangen. Am 30. Januar 1933 ernannte Reichspräsident Hindenburg auf Geheiß einer intimen Gruppe von Militäroffizieren, hohen Staatsbeamten, Grundbesitzern und Unternehmern Hitler zum deutschen Reichskanzler. Die Machtübernahme geschah somit legal und verfassungskonform. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung ließ sich dadurch beschwichtigen, dass in der neuen Regierung lediglich drei Nazis saßen – Adolf Hitler, Hermann Göring und Wilhelm Frick – während die übrigen Kabinettsmitglieder konservative Bürokraten und Politiker waren. Die Nazis, ungehindert durch die etablierten Mechanismen in Politik und Gesellschaft, sollten jedoch ohne Schwierigkeiten ihre früheren Verbündeten ausspielen.
Die Weimarer Republik erlebte keinen Zusammenbruch. Die Republik wurde durch ein Bündnis der etablierten und der radikalen Rechten zerstört, welche für das emanzipatorische Versprechen der Republik nichts als Verachtung übrig hatten und entschlossen waren, sie zu stürzen.
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