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3. Reformation
Druckfassung

1. Augenzeugen und Familien   |   2. Regierung   |   3. Reformation   |   4. Konfessionen


C. Bauernkrieg

In den Jahren 1524 und 1525 breitete sich ein gewaltiger, im Wesentlichen ländlicher Aufstand, der als Bauernkrieg von 1525 bezeichnet wird, über die deutschen Gebiete von Lothringen bis Ungarn und vom Bodensee bis nach Thüringen aus. Obwohl die Aufständischen den herrschenden Klassen Furcht einflößten, gelang es ihnen nicht, die militärischen Siege zu erreichen, welche ihren politischen Forderungen zur Durchsetzung hätten verhelfen können. Die anschließende Unterdrückung zerstörte zwar nicht die gemeinschaftlichen Strukturen des örtlichen Lebens, doch versperrte sie den Dorfbewohnern, mit Ausnahme kleiner südlicher Körperschaften, den Zugang zur Territorialregierung. Der Aufstand stellte einen kurzen aber heftigen Schock für eine Gesellschaft dar, die bereits durch die wachsende Debatte um eine Kirchenreform erschüttert war, auch wenn über die Verbindung zwischen dem Bauernkrieg und der Reformation bis heute in der Forschung keine Einigkeit besteht. Die protestantischen Reformatoren verurteilten den Aufstand als gefährlich und kriminell; katholische Kritiker verurteilten ihn als unvermeidbare Ausgeburt der Ketzerei. Zwar bedienten sich die Aufständischen des Bauernkriegs religiöser Sprache um ihre Handlungen zu rechtfertigen, doch lag ihr Hauptziel nicht in der Erlösung, sondern in der Abschaffung feudaler Bürden der landwirtschaftlichen Existenz durch eine Reform der territorialen und lokalen Verwaltung. Auf der anderen Seite stellte die örtliche Überwachung des religiösen Lebens einen wichtigen Teil ihrer politischen Basis in den gemeinschaftlichen Strukturen und Praktiken des örtlichen Lebens dar. Die Dorfbewohner waren der Ansicht, dass das kommunale Leben die Aufsicht über ihre Kirchen und Pfarrer notwendig machte, da sie den Pfarrer als Diener der Gemeinde und nicht als deren Herrn ansahen.

Zwei Arten von Schriftstücken verdeutlichen, worum es bei dem Aufstand ging. Die örtlichen und regionalen Beschwerdelisten benennen die Notwendigkeit von Veränderungen genau und helfen uns, die Ursachen des Aufstandes zu verstehen. Die einflussreichste unter ihnen waren die „Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern“, die 1525 in den aufständischen Regionen in weitem Umlauf waren. Auch wenn die Sprache der Beschwerdelisten manchmal an die der protestantischen Reformatoren erinnert, besonders hinsichtlich dem „heiligen, göttlichen, wahren Wort Gottes“ als Grundlage der christlichen Gemeinschaft, so betrafen die Hauptbeschwerden doch die Leibeigenschaft und deren Einschränkungen sowie andere Bedingungen des ländlichen Lebens. Das zweite Genre von Schriftstücken besteht aus programmatischen Texten zu größeren politischen Reformen. Die von den beiden Franken Wendel Hipler und Friedrich Weygandt entworfenen Pläne lassen die Forderungen der Bauern in ein breit angelegtes Reformprogramm der territorialen und sogar der Reichsregierung einfließen. Der bei weitem radikalste Text ist Michael Gaismairs „Tiroler Verfassung“. Er forderte eine Reform der Territorialregierung im radikal kommunalistischen Sinn, die Abschaffung der politischen Macht von Adel und Klerus sowie eine zentralisierte Verwaltung der Manufakturen und des Handels in Tirol. Gaismairs Rechtfertigung seiner idealen egalitären Republik ist in der Sprache der Bibel und des „göttlichen Rechts“ verfasst.

Wie tief der Bauernkrieg die herrschenden Klassen in den aufständischen Gebieten erschütterte, geht aus den Verhandlungen des Reichstages hervor, der im Spätsommer 1526 in Speyer tagte. Die Stände registrierten zwar die Beschwerden der Aufständischen und zeigten ein klares Verständnis der Hauptprobleme – Leibeigenschaft, Zehnte, Freizügigkeit und Todessteuer – doch sprachen ihre Empfehlungen nur von Autorität, Gehorsam und Unterdrückung. Dennoch beeinflussten die Ereignisse von 1525 die vorsichtige Entscheidung des Reichstags hinsichtlich der religiösen Spaltung, welche jeden Landesfürsten bei seiner Entscheidung der Verantwortung vor Gott und dem Kaiser überließ.


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