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Die Türkenstraße in München-Schwabing (1910er Jahre)

Diese Aufnahme zeigt die Türkenstraße in München-Schwabing. Um 1900 war dieses Wohngebiet westlich des Englischen Gartens ein regelrechtes Treibhaus kultureller Aktivitäten und ein Zentrum des Künstlerlebens. (Zeitgenössische amerikanische Reiseführer beschreiben dieses Viertel noch immer als Münchens Pendant zu Greenwich Village in Manhattan.) Die schiere Anzahl der dort um die Jahrhundertwende lebenden und schaffenden bedeutenden Intellektuellen, politischen Persönlichkeiten und Künstler ist geradezu überwältigend. Beispielsweise gründete und veröffentlichte Georg Hirth (1841-1916) dort 1896 die Zeitschrift Jugend. (Die Zeitschrift stand Pate für die Jugendstil-Bewegung, der deutschen Variante des Art Nouveau.) Im selben Jahr erlebte Schwabing die Publikation der ersten Ausgabe der satirischen Zeitschrift Simplicissimus, herausgegeben von Thomas Theodor Heine (1967-1848) und Albert Langen (1869-1909). Von 1911-1914 beherbergte das Viertel den Blauen Reiter, eine äußerst einflussreiche avantgardistische Künstlergruppe, zu der unter anderen Wassily Kandinsky (1866-1944), Gabriele Münter (1877-1962), Franz Marc (1880-1916), und Paul Klee (1879-1940) gehörten. Thomas Mann (1875-1955) und Wladimir Iljitsch Uljanow (1870-1924), der sein Pseudonym Lenin erst annahm, als er in Schwabing lebte, waren nur zwei der Berühmtheiten, die dort zeitweilig wohnten. Glücklicherweise haben literarische Darstellungen ein lebendiges Bild des Schwabinger Lebens in den zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg bewahrt. Die exzentrische Gräfin Franziska zu Reventlow (1871-1918), Inbegriff der Boheme im Viertel, bemerkte einmal, „Schwabing ist kein geographischer Begriff, sondern ein Zustand.“ Und Thomas Manns Novelle Gladius Dei (1903) beginnt mit einer gleichermaßen sinnträchtigen Beschreibung der bayerischen Hauptstadt als Ganzes: „München leuchtete.” Aufnahme von Heinrich Hoffmann (1885-1957), 1910er Jahre.

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Die Türkenstraße in München-Schwabing (1910er Jahre)

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