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Wilhelms „Osterbotschaft” (7. April 1917)

Theobald von Bethmann Hollwegs (1856-1921) „Neuorientierung“ forderte die fest verwurzelten Interessen der Konservativen in der Rechten heraus. Als die allgemeinen Proteste im Frühjahr 1917 zunahmen, überredete er den Kaiser, eine Erklärung abzugeben: die so genannte „Osterbotschaft“, die erstmalig im preußischen Abgeordnetenhaus verkündet und am Tag, an dem die USPD sich gründete, veröffentlicht wurde. Wilhelms Stellungnahme schien eine Verfassungsreform bei Kriegsende zu versprechen, doch war sie so undurchsichtig formuliert, dass sie wenig Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Auch Bethmann Hollwegs eigene Glaubwürdigkeit war nicht über jeden Verdacht erhaben, denn gleichzeitig billigte er die Forderungen der Obersten Heeresleitung nach deutschen Annexionen in Frankreich, Polen und den baltischen Staaten.

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Noch niemals hat sich das deutsche Volk so fest gezeigt wie in diesem Kriege. Das Bewußtsein, daß sich das Vaterland in bitterer Notwehr befand, übte eine wunderbar versöhnende Kraft aus, und trotz aller Opfer an Blut draußen im Feld und schwerer Entbehrungen daheim ist der Wille unerschütterlich geblieben, für den siegreichen Endkampf das Letzte einzusetzen. Nationaler und sozialer Geist verstanden und vereinigten sich und verliehen uns ausdauernde Stärke. Jeder empfand: was in langen Jahren des Friedens unter manchen inneren Kämpfen aufgebaut worden war, das war doch der Verteidigung wert.

Leuchtend stehen die Leistungen der gesamten Nation in Kampf und Not vor meiner Seele. Die Erlebnisse dieses Ringens um den Bestand des Reiches leiten mit erhabenem Ernste eine neue Zeit ein. Als dem verantwortlichen Kanzler des Deutschen Reiches und Ersten Minister meiner Regierung in Preußen liegt es Ihnen ob, den Erfordernissen dieser Zeit mit den rechten Mitteln und zur rechten Stunde zur Erfüllung zu verhelfen. Bei verschiedenen Anlässen haben Sie dargelegt, in welchem Geiste die Formen unseres staatlichen Lebens auszubauen sind, um für die freie, freudige Mitarbeit aller Glieder unseres Volkes Raum zu schaffen. Die Grundsätze, die Sie dabei entwickelten, haben, wie Sie wissen, meine Billigung. Ich bin mir bewußt, dabei in den Bahnen meines Großvaters, des Begründers des Reiches, zu bleiben, der als König von Preußen mit der Militärorganisation und als Deutscher Kaiser mit der Sozialreform monarchische Pflichten vorbildlich erfüllte und die Voraussetzung dafür schuf, daß das deutsche Volk in einmütigem, in grimmigem Ausharren diese blutige Zeit überstehen wird.

Die Wehrmacht als wahres Volksheer zu erhalten, den sozialen Aufstieg des Volkes in allen seinen Schichten zu fördern, ist vom Beginn meiner Regierung an mein Ziel gewesen. Bestrebt, in fest bewahrter Einheit zwischen Volk und Monarchie dem Wohle der Gesamtheit zu dienen, bin ich entschlossen, den Ausbau unseres inneren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, so wie es die Kriegslage gestattet, ins Werk zu setzen.

Noch stehen Millionen Volksgenossen im Felde, noch muß der Austrag des Meinungsstreites hinter der Front, der bei einer eingreifenden Verfassungsänderung unvermeidlich ist, im höchsten vaterländischen Interesse verschoben werden, bis die Zeit der Heimkehr unserer Krieger gekommen ist und sie selbst am Fortschritt der neuen Zeit mitraten und -taten können. Damit aber sofort beim glücklichen Ende des Krieges, das, wie ich zuversichtlich hoffe, nicht mehr fern ist, das Nötige und Zweckmäßige auch in dieser Beziehung geschehen kann, wünsche ich, daß die Vorbereitungen unverweilt abgeschlossen werden.

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