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Der Minister des Inneren über die innenpolitischen Reformen (Mai 1915)

Der Konsens zugunsten des Krieges war von Anfang an instabil, trotz des Eindrucks allgemeiner Einigkeit. Der Reichskanzler war dafür verantwortlich, den im Sommer 1914 geschaffenen innenpolitischen Burgfrieden zu bewahren, aber er war eingezwängt zwischen den Kräften sowohl auf der Linken als auch der Rechten. Viele Linke befürworteten die Demokratisierung im Inneren. Wie der Staatssekretär im Reichsamt des Inneren in dieser Denkschrift in groben Zügen darlegt, richteten sich die weit verbreiteten Reformbestrebungen auf das Wahlrechtssystem in Preußen—der preußische Landtag bevorzugte die Mitglieder der alten Ordnungen und hatte kein wirklich universelles Männerwahlrecht. Die Reformer traten außerdem dafür ein, Gewerkschaften anzuerkennen sowie ihnen gesetzliche Rechte für Tarifverhandlungen zu gewähren. Dies war unausweichlich, sollte die organisierte Arbeiterschaft an der Kriegmobilisierung für den Krieg teilnehmen.

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Persönlich

Euer Exzellenz beehre ich mich anbei unter Bezugnahme auf meine heutige Besprechung mit Herrn Unterstaatssekretär Wahnschaffe eine kurze Aufzeichnung über die Neuorientierung der inneren Politik ergebenst zu überreichen. Die Aufzeichnung soll weder eine erschöpfende Darstellung aller zu lösenden Fragen geben, noch bestimmte Vorschläge für diese Lösung formulieren, sondern lediglich Euer Exzellenz Anhaltspunkte für die bevorstehende Besprechung mit den Vertretern der Parteien geben. [ . . . ]

Am 4. August vorigen Jahres hat Seine Majestät der Kaiser an die im Weißen Saal versammelten Reichstagsabgeordneten die Worte gerichtet: „Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche." Dieses seitdem oft zitierte Kaiserwort hat der inneren Politik seit dem Beginn des Krieges die Signatur gegeben. Der ihm zugrunde liegende Gedanke ist in dem sogenannten Burgfrieden zum Ausdruck gekommen. [ . . . ]

Man hat in den Worten Seiner Majestät des Kaisers auch eine Verheißung für die Zeit nach dem Friedensschluß erblickt und nach gesetzlichen Garantien dafür verlangt, daß diese versöhnliche Haltung der Regierung auch nach dem Frieden in Geltung bleiben möchte. Diesen Wünschen gegenüber ist seitens des Herrn Reichskanzlers, seitens des Herrn Ministers des Innern, seitens des Staatssekretärs des Innern wiederholt in mehr oder minder bestimmter Weise eine Neuorientierung der inneren Politik in Aussicht gestellt, indessen eine Erörterung über die Einzelheiten dieser Frage für die Dauer des Krieges abgelehnt. Diese Zusage wird erfüllt werden müssen. und es kann zweifelhaft sein, ob bei längerer Dauer des Krieges nicht doch ein näheres Eingehen auf die seitens der Parteien geäußerten Wünsche notwendig werden wird. Jedenfalls wird es notwendig werden, schon während des Krieges innerhalb der Regierung zu einer Klarheit darüber zu gelangen, was denn eigentlich geschehen soll, um die Wünsche der Parteien zu erfüllen, denn es erscheint unbedingt erforderlich, mit dem Friedensschluß mit einem bestimmten Programm an die Öffentlichkeit zu treten und die Durchführung dieses Programms so vorzubereiten, daß alsbald zu seiner Durchführung geschritten werden kann. Es ist das notwendig, weil unter allen Umständen vermieden werden muß, daß späterhin in der Öffentlichkeit über die Nichterfüllung einer in feierlicher Stunde gegebenen Zusage Seiner Majestät des Kaisers geklagt wird. Es ist aber auch ein Akt der politischen Klugheit und Gerechtigkeit, entschlossen der Tatsache Rechnung zu tragen, daß das gesamte Volk ohne Rücksicht auf die Nationalität und die Zugehörigkeit zur Partei seine ganze Kraft in den Dienst des Vaterlandes gestellt hat, und daß insbesondere auch die wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter, welcher Partei sie auch angehören mögen, seit Kriegsbeginn dem Vaterlande wertvolle Dienste geleistet haben. Dennoch wird es nicht ganz leicht sein, die gegebenen Zusagen zu erfüllen, bzw. den Erwartungen zu entsprechen, die an diese Zusagen geknüpft sind.

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