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Der Hindenburgplan (1916)

Der Hindenburgplan forderte den effizienteren Einsatz knapper Rohstoffe für die Kriegsanstrengungen. Nicht nur die Zahl der Soldaten würde den Kriegsverlauf mitbestimmen, sondern auch die Fähigkeit der Binnenwirtschaft, genug Waffen und andere kriegsrelevante Güter zu produzieren. Allerdings wirkte sich die Knappheit an Rohstoffen und Truppen bereits 1916 schwächend aus. Viele Historiker behaupten, der Hindenburgplan sei von Beginn an unrealistisch gewesen, und er habe dazu geführt, dass die militärische Führung die deutsche Niederlage den Zivilisten anlasteten, die für die Wirtschaftsproduktion zuständig waren.

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Im Laufe des Krieges ist der Einfluß der Maschine immer mehr in den Vordergrund gerückt; die Bedeutung der lebenden Kräfte hat sich dagegen verringert; entscheidend ist nicht mehr allein der höhere Wert der Truppe, der nie hoch genug gestellt werden kann, sondern in steigendem Maße die Überlegenheit an Kanonen, Munition und Maschinengewehren.

Unsern Gegnern stehen die Fabriken und die Arbeiterschaft der gesamten neutralen Welt zur Verfügung; Deutschland und seine Verbündeten sind lediglich auf die eigenen Mittel angewiesen.

Das geistige Übergewicht des deutschen Soldaten, sein größerer Mut und sein höheres Pflicht- und Ehrgefühl können diese Überlegenheit allein um so weniger ausgleichen, als uns die Feinde auch an Zahl der Menschen weit überlegen sind.

Ähnlich liegen die Dinge für die Volksernährung. Auch diese Frage kann von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Krieges werden, und auch auf diesem Gebiete stehen dem Gegner die reicheren Hilfsquellen zur Verfügung.

Wir können daher den Krieg nur gewinnen, wenn wir dem Heere soviel Kriegsgerät zuführen, daß es den feindlichen Armeen gleich stark gegenübersteht, und wenn wir die Ernährung des gesamten Volkes sicherstellen. Das ist bei den reicheren Mitteln, die unsere Feinde haben, nur möglich, wenn alles, was unser Land an Bodenschätzen birgt und was die Industrie und der Acker hergeben können, ausgenutzt wird lediglich für die Förderung des Krieges. Dieses Höchstmaß an Leistungen kann aber nur erreicht werden, wenn das gesamte Volk sich in den Dienst des Vaterlandes stellt. Alle anderen Rücksichten müssen dagegen zurücktreten; sie können in einem Kampf, der um Sein oder Nichtsein des Staates, um die Unabhängigkeit, die Wohlfahrt und die Zukunft unseres Volkes entscheiden wird, keine Rolle spielen. Nach einem siegreichen Kriege wird die heimische Friedenswirtschaft in neuer Blüte erstehen, gleichgültig, ob wir uns jetzt von ihr trennen oder nicht; nach einem verlorenen Feldzug aber wird uns das Festhalten an friedensmäßigen Zuständen nichts genützt haben. Wir würden aus der Geschichte der Völker gestrichen und wirtschaftlich zu völliger Abhängigkeit verurteilt sein.

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Es ist nach meiner Überzeugung von höchster Wichtigkeit, daß ein Gesetz zustande kommt, in welchem ausdrücklich die Wehrpflicht für die gesamte männliche Bevölkerung hinsichtlich der Dauer auf das 16. bis 60. Lebensjahr und hinsichtlich der Verwendung auf die gesamte Kriegswirtschaft ausgedehnt wird. Wir müssen eine klare Lösung finden und das Ziel auf geradem Wege erreichen, sonst wird dem Volke der Umfang und die Bedeutung der ganzen Frage nicht klar.

Jeder Mann muß seinem Können entsprechend in den Dienst gestellt werden, an der Drehbank, in der Schreibstube oder zu jeder anderen Betätigung, in der er dem Staat am meisten nützt. Dem werden die Ausführungsbestimmungen zu entsprechen haben.

Ein Gesetz ist nötig, weil die Volksvertretung an der Verantwortung mittragen muß und weil bei einer Mitwirkung des Reichstages die Bevölkerung sich der neuen Aufgabe mit größerer Bereitwilligkeit unterziehen wird. Ich bin der Überzeugung, daß die Volksvertretung sich der Zustimmung zu dem Gesetz nicht entziehen wird, daß vielmehr die Annahme des Gesetzes sich zu einer Kundgebung unserer Stärke und unseres Willens von so ungeheurer Wucht gestalten wird, daß der Eindruck auf unsere Feinde groß sein wird und wir dem Frieden ein gutes Stück näher kommen.

Zum Schluß muß ich aber pflichtgemäß betonen, daß wir zu schneller Entscheidung kommen müssen und daß die Zeit in keiner Weise zu langen Erwägungen angetan ist. Einzel- und Ausführungsbestimmungen können daher erst getroffen werden, wenn die Aufgabe im großen gelöst ist.

gez. v. Hindenburg



Quelle: Erich Ludendorff, Hg., Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18. Berlin: E. S. Mittler und Sohn, 1920, S. 83 f.

Abgedruckt in Rüdiger vom Bruch und Björn Hofmeister, Hg., Kaiserreich und Erster Weltkrieg 1871-1918. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 8. Stuttgart: P. Reclam, 2000, S. 402-04.

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