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Die zweite Einwanderergeneration spricht sich für gegenseitige Akzeptanz aus (13. Mai 1982)

Ein Aktivist und Angehöriger der zweiten Einwanderergeneration fordert weitere Integrationsbemühungen, insbesondere durch das Erlernen der deutschen Sprache auf der einen und durch größere Toleranz und Akzeptanz auf der anderen Seite.

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Ausländerhaß zerstört den inneren Frieden
„Integration“ ist ein Bildungsproblem und Ziel für die hier aufwachsende zweite Ausländergeneration


Es ist eine alte Erfahrung, daß sich Versäumnisse der Gesellschaftspolitik erst Jahre später bemerkbar machen. Die Politik reagiert aber erst, wenn die Krise da ist. Plötzlich werden unter Zeitdruck unreife und unüberlegte Entscheidungen getroffen und unzureichende und ungeeignete Lösungen versucht. Die Gesellschaftspolitik für Ausländer ist Abfallprodukt der wirtschaftlichen Sachzwänge und ordnet sich dem Krisenmanagement der Wirtschaft unter, wo die Probleme entstanden sind.

Ab Mitte der sechziger Jahre diktierte der dringende Arbeitskräftemangel der deutschen Industrie den Import ausländischer Arbeitskräfte im Schnellverfahren. Die deutsche Arbeitsverwaltung richtete ihre Zweigstellen gleich in der Türkei ein. Die türkischen Bewerber wurden an Ort und Stelle auf ihren Gesundheitszustand, ihre Muskelkraft, ja sogar die Intaktheit der Zähne untersucht und in Scharen in die Bundesrepublik geschickt. Dabei machte sich niemand Gedanken über eine mittelfristige, geschweige denn eine langfristige Planung, wie die Grundbedürfnisse der eilig importierten Menschen erfüllt werden könnten, zum Beispiel: Wo und wie sollen diese Menschen wohnen? Wie sollen sie sich mit ihrer sozialen Umwelt verständigen? Welche Konsequenzen entstehen, wenn sie ihr Grundrecht auf Familienleben geltend machen, im Bereich der Familienpolitik, der Bildungspolitik usw.?

Als die „Fremdkörper“ in der deutschen Gesellschaft anfingen, unangenehm aufzufallen, erfand man die Zauberformel „Integration“, die nicht einmal realistisch und konkret definiert wurde. Die Anpassung einer Minderheit an die Mehrheit durch die Mehrheit ist ein langwieriger Erziehungsprozeß auf beiden Seiten und geschieht weder von heute auf morgen noch von alleine.

Die Integration muß im Gefühl des Menschen stattfinden

Es ist eine Illusion und unfair, von den Türken, die in der Mehrzahl aus den ländlichen Gebieten Anatoliens kommen und schätzungsweise 200 Jahre vom sozialen und ökonomischen Entwicklungsstand einer großen Industriestadt entfernt sind, zu erwarten, sich innerhalb von zehn bis 15 Jahren soweit anzupassen, daß sie sich wie Deutsche verhalten und wie Deutsche denken. Die Lebensbedingungen in der Türkei waren kein Geheimnis. Es ist genauso unfair, pauschal zu behaupten, daß die Türken sich nicht integrieren wollen, bloß weil es mit dieser Zauberformel nicht geklappt hat.

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