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Bernhard von Bülow löst aufgrund der kolonialen Streitfrage den Reichstag auf (13. Dezember 1906)

Bernhard von Bülow (1849-1929) hatte Deutschland seit 1900 mit einer Koalition aus Konservativen, Liberalen und Katholiken regiert. Das katholische Zentrum opponierte jedoch gegen die von Bülow und Wilhelm II. vertretene Kolonialpolitik. Daraufhin löste Bülow den Reichstag 1906 auf und setzte Neuwahlen an. Das Ergebnis war eine Koalition, die kurzzeitig auch ohne die Stimmen des Zentrums mehrheitsfähig war.

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Meine Herren, ich halte mich für verpflichtet, Sie nochmals und in letzter Stunde auf die schwere Verantwortung hinzuweisen, welche Sie durch Ihre bevorstehenden Beschlüsse auf sich nehmen. Es handelt sich hier nicht um die Frage, ob für unsere Kolonien einige Millionen mehr oder weniger bewilligt werden sollen. Es handelt sich, wie Ihnen der Herr Vertreter des Generalstabs soeben überzeugend dargelegt hat, um die Frage, ob wir unsere Kolonie behaupten wollen oder nicht. Es handelt sich, wie ich als verantwortlicher Leiter der Reichsgeschäfte hinzufüge, um die Frage, ob wir unser Ansehen in der Welt, ob wir unsere Waffenehre (lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten – lebhaftes Bravo rechts) – ich wiederhole gegenüber Ihrem Widerspruch: es handelt sich, wie ich als verantwortlicher Leiter der Reichsgeschäfte hinzufüge, um die Frage, ob wir unsere Waffenehre, ob wir unsere Stellung in der Welt, ob wir unser Ansehen gefährden wollen, um eine verhältnismäßig geringfügige Summe zu ersparen am Ende des Feldzuges, der uns Hunderte von Millionen gekostet hat. (Bravo! rechts. Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wollen wir in einer Stunde des Kleinmuts die Früchte jahrelanger tapferer Anstrengungen gefährden? (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Sollen die Opfer, die schweren Opfer an Gut und Blut, die wir für unsere Kolonien gebracht haben, den Kolonien und dem Vaterland zum Segen gereichen, oder sollen sie umsonst gebracht sein?

Eine Regierung kann sich nicht von Parteien und Parlament vorschreiben lassen, wie viele Truppen sie für kriegerische Operationen braucht. (Widerspruch links. Sehr richtig! rechts.) Wohin, meine Herren, soll es führen, wenn sich bei uns die Gewohnheit einbürgerte, militärische Maßnahmen im Kriegszustande, deren richtige Durchführung entscheidend ist für Leben und Gesundheit unserer Truppen, für unsere Waffenehre, unter Umständen für Wohl und Wehe und Zukunft des ganzen Landes, von Fraktionsbeschlüssen oder Parteirücksichten abhängig zu machen! (Lebhaftes Bravo rechts.)

Meine Herren, da draußen stehen unsere Soldaten, das sind Deutsche, die haben gekämpft, die haben Anstrengungen erduldet, die sind im Begriff, den letzten Widerstand, die letzten Reste des Gegners niederzuringen: sollen sie nun etwa zurück, weil die Regierung aus Kleinmut, weil eine kleinmütige Regierung aus Scheu vor parlamentarischen oder Parteirücksichten ihren Heldenmut vor dem Feinde im Stich läßt? (Lebhaftes Bravo rechts.)

Meine Herren, was haben andere Völker für Kolonialkriege geführt, Engländer, Franzosen, Holländer, und haben nicht mit der Wimper gezuckt! Soll sich das deutsche Volk kleiner zeigen, soll das deutsche Volk kleiner dastehen als andere Völker? Das ist die Frage, auf welche die verbündeten Regierungen eine Antwort wünschen, eine Antwort fordern klipp und klar! (Sehr wahr! rechts.)

Wir können bedauern, meine Herren, daß der Aufstand ausgebrochen ist, daß er uns so viel Menschenleben, daß er uns so große Summen gekostet hat. Wir können das bedauern, aber zurück können wir nicht. Wir müssen durchhalten!

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