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Politische Mobilmachung auf dem Lande: Das Programm des Bundes der Landwirte (Fassung von 1912)

Das politische Programm des Bundes der Landwirte vertrat einige eng begrenzte Interessen und äußerte sich darüber hinaus in hehren Worten zur allgemeinen Wohlfahrt. Die protektionistische Agrarpolitik, für die der Bund warb, bildete während der gesamten wilhelminischen Ära einen entscheidenden Streitpunkt zwischen Liberalen, die diese Form des staatlichen Eingriffs allgemein ablehnten, und konservativen Landbesitzern, die eine derartige Politik befürworteten.

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«Der Bund der Landwirte erstrebt die Erhaltung und den Ausbau unserer heutigen Staatsordnung auf christlich-monarchischer Grundlage. Er steht grundsätzlich auf dem Boden einer gerechten gleichmäßigen Berücksichtigung der Interessen der gesamten nationalen produktiven Arbeit. Er bekämpft das Ausbeutungssystem des spekulativen internationalen Großkapitals sowie eine einseitige ungerechte Bevorzugung des Großkapitals überhaupt.

Gemäß den aus dem wirtschaftlichen Leben aller Völker geschöpften Erfahrungen ist der Bund grundsätzlich der Überzeugung, daß eine normale, dem Allgemeinwohl sowohl der Produzenten wie der Konsumenten zuträgliche Entwicklung der Volkswirtschaft große und plötzliche Schwankungen in den Preisen der zur Volksernährung erforderlichen Hauptprodukte der Landwirtschaft nicht verträgt, daß vielmehr nur in längeren Perioden langsam, aber stetig aufwärtssteigende Preise derselben den materiellen Ausdruck für die fortschreitende Kultur eines Volkes bieten. Eine solche Gestaltung der volkswirtschaftlichen Verhältnisse betrachtet der Bund der Landwirte gleichzeitig als die Vorbedingung für die gesunde Entwicklung des Handwerks, der Industrie und des Handels.

Hiernach sind die nächstliegenden Ziele des Bundes der Landwirte:

1. Er erstrebt gesetzliche Maßregeln, welche in gleichem Interesse der Produzenten wie der Konsumenten dauernd eine den Produktionskosten entsprechende mittlere Produktenpreisbildung herbeizuführen geeignet sind.

Der Bund der Landwirte erwartet daher von den mit seiner Unterstützung gewählten Abgeordneten in bezug auf die Handelspolitik: a) daß sie jeden weiteren Handelsvertrag ablehnen, der eine Ermäßigung der Agrarzölle gegenüber den jetzt abgeschlossenen Tarifverträgen oder sonstige Erleichterungen und Begünstigungen der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte enthält, b) daß sie eintreten für die Einführung eines wirksamen Zolls auf Milch, Rahm in den deutschen General- und Vertragszolltarif.

Der Bund der Landwirte fordert des weiteren:

2. Verhinderung jeglicher Abschwächung der bestehenden Börsengesetzgebung und den weiteren systematischen Ausbau einer durchgreifenden Reformgesetzgebung auf dem Gebiete der Waren und Fondsbörse. Eine zweckmäßige Ausgestaltung des Kredits für Landwirtschaft, Handwerk und selbständigen werktätigen Mittelstand.

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