Die in Berlin bestehende freie literarische Vereinigung »Durch!« bittet uns um Abdruck folgender Thesen: Die unter dem Namen und Wahlspruch »Durch!« zusammengetretene freie literarische Vereinigung junger Dichter, Schriftsteller und Literaturfreunde hat keinerlei bindende Satzung; doch lassen sich die in diesem Kreise lebenden literarischen Anschauungen durch folgende Sätze versinnbildlichen, welche zugleich den Charakter aller modernen Dichtung darstellen:
1. Die deutsche Literatur ist gegenwärtig allen Anzeichen nach an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung angelangt, von welchem sich der Blick auf eine eigenartige bedeutsame Epoche eröffnet.
2. Wie alle Dichtung den Geist des zeitgenössischen Lebens künstlerisch verklären soll, so gehört es zu den Aufgaben des Dichters der Gegenwart, alle bedeutungsvollen und nach Bedeutung ringenden Gewalten des gegenwärtigen Lebens in ihren Licht- und Schattenseiten poetisch zu gestalten und der Zukunft prophetisch und bahnbrechend vorzukämpfen. Demnach sind soziale, nationale, religiös-philosophische und literarische Kämpfe spezifische Hauptelemente der gegenwärtigen Dichtung, ohne daß sich dieselbe tendenziös dem Dienste von Parteien und Tagesströmungen hingibt.
3. Unsere Literatur soll ihrem Wesen, ihrem Gehalte nach eine moderne sein; sie ist geboren aus einer trotz allen Widerstreits täglich mehr an Boden gewinnenden Weltanschauung, die ein Ergebnis der deutschen idealistischen Philosophie, der siegreich die Geheimnisse der Natur entschleiernden Naturwissenschaft und der alle Kräfte aufrüttelnden, die Materie umwandelnden, alle Klüfte überbrückenden technischen Kulturarbeit ist. Diese Weltanschauung ist eine humane im reinen Sinne des Wortes und sie macht sich geltend zunächst und vor allem in der Neugestaltung der menschlichen Gesellschaft, wie sie unsere Zeit von verschiedenen Seiten her anbahnt.
4. Bei sorgsamer Pflege des Zusammenhanges aller Glieder der Weltliteratur muß die deutsche Dichtung einen dem deutschen Volksgeist entsprechenden Charakter erstreben.
5. Die moderne Dichtung soll den Menschen mit Fleisch und Blut und mit seinen Leidenschaften in unerbittlicher Wahrheit zeichnen, ohne dabei die durch das Kunstwerk sich selbst gezogene Grenze zu überschreiten, vielmehr um durch die Größe der Naturwahrheit die ästhetische Wirkung zu erhöhen.