Um so notwendiger ist aber, daß endlich einmal nicht bloß vor dem Reichstag, sondern vor der gesamten deutschen Nation, ja vor der gesamten zivilisierten Welt, die in der lebhaftesten Weise an diesen Ereignissen Anteil genommen hat und bis heute nimmt, konstatiert wird, was an allen diesen wochen- und monatelang hinausgeschleuderten Beschuldigungen Wahres ist. Man hat uns in einer Weise verfolgt, die an die dunkelsten Zeiten des Mittelalters erinnert. Wie man im Mittelalter religiös Andersgläubige, Juden, Hugenotten, Protestanten verfolgte, so hat man im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts einen allgemeinen Hetzkrieg gegen die Sozialdemokraten als politisch Andersgläubige, an dem sich fast alle Parteien beteiligt haben, in Szene gesetzt. Man hat die Männer sozialdemokratischer Gesinnung aus Arbeit und Brot geworfen und ihnen die Existenz abzuschneiden versucht, man hat sie beschimpft und verleumdet, für ehr- und rechtlos erklärt. Man hat offenbar alles dies aufgeboten, um Unruhen zu provozieren; man wollte uns aufs äußerste reizen, damit wir zu Gewaltschritten irgend einer Art uns verleiten ließen. Man hatte augenscheinlich nicht genug an den Attentaten. Man hätte sich in gewissen Kreisen zweifelsohne gefreut, wenn wir uns durch diese Hetzereien zu Gewaltschritten hätten verleiten lassen, um dann um so reichlicheres und gewichtigeres Material gegen uns zum schärfsten Einschreiten zu besitzen. Nie hat wohl eine Partei in einer solch schwierigen und gefährlichen Situation sich befunden wie die unsere, und nie hat wohl eine Partei mehr gezeigt wie die unsere, daß sie sich ruhig und friedlich entwickeln will, daß sie nicht gewillt ist, auf Provokationen irgendeiner Art einzugehen, zu unbesonnenen Schritten sich verleiten zu lassen. Ich glaube, daß dies die Sozialdemokratie sowohl in den Monate währenden unausgesetzten Hetzereien wie in dem verflossenen Wahlkampf für jeden bemerkbar gezeigt hat. Aber ich wiederhole: wir verlangen, daß endlich diesen unbegründeten Hetzereien und Verdächtigungen ein Ende gemacht wird, daß endlich einmal die Protokolle zu Tage gefördert werden, daß dem Reichstag und speziell der Kommission, welche diesen Gesetzentwurf zu prüfen hat, dieselben im Druck vorgelegt werden. Der größte Teil der Rede Bebels befaßt sich mit den Beziehungen von Bismarck und Lassalle im Jahre 1863. Der Redner beschäftigt sich dann mit den Auswirkungen des Gesetzes und sagt u. a.:
Es würde ferner auch dahin kommen, daß unser gesamtes öffentliches und privates Leben beunruhigt oder vergiftet, daß auch der ruhigste und friedlichste Bürger mit diesen Zuständen unzufrieden würde. Für uns unterliegt es keinem Zweifel, daß dies ganz unzweifelhaft der Erfolg dieses Gesetzes sein wird, und daß es schließlich der Sozialdemokratie nur nützen kann — das ist unsere ausgesprochene Meinung. (Verschiedenartige Zurufe.) Meine Herren, Sie wollen vielleicht sagen: ‚ja, dann stimmt doch für das Gesetz!‘ (Ja, wohl! rechts.) Meine Herren, wenn wir ein Unrecht, wie es hier begangen werden soll, gut heißen könnten, dann würden wir es vielleicht tun. Ich kann Ihnen bestimmt versichern, daß ich sehr tüchtige unserer Parteigenossen habe äußern hören: ich wünschte, das Gesetz ginge durch! Sie könnten uns gar nicht besser nützen als durch Annahme des Gesetzes, denn Tausende und aber Tausende, die heute noch keine Sozialdemokraten sind, werden es dann sicher werden. Wir sind in wenigen Jahren stärker als je zuvor. (Sehr richtig!)
Quelle: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 4. Legislaturperiode, I. Sitzung, 1878, 1. Bd., Berlin: Verlag der Buchdruckerei der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Pindter), 1878, 4. Sitzung, 16. September 1878, S. 39, 45.
Abgedruckt in Hans Fenske, Hg., Im Bismarckschen Reich 1871-1890. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1978, S. 202-03.