[ . . . ] Die Geschichte der mannigfachen in den letzten Jahrzehnten unternommenen Reformversuche hat erfahrungsmäßig gelehrt, daß weder die einseitigen Verhandlungen unter den Regierungen, noch die Debatten und Beschlüsse einer gewählten Versammlung allein im Stande waren, eine Neugestaltung des nationalen Verfassungswerkes zu schaffen.
Wenn erstere immer bei dem Austausch verschiedenartigster Meinungen und der Ansammlung eines endlosen Materials stehen geblieben sind, so geschah dieß, weil es an der ausgleichenden und treibenden Kraft des nationalen Geistes bei diesen Verhandlungen fehlte und die partikularistischen Gegensätze zu schroff und einseitig dabei festgehalten wurden.
Ein solcher, zu höherer Einigung der Gegensätze führender Factor ist nur in einer aus allen Theilen Deutschlands gewählten Versammlung zu finden. Wollten dagegen die Regierungen einer solchen Versammlung allein die Initiative bezüglich der Reconstruction der Bundesverfassung überlassen, wie dieß im Jahre 1848 geschah, so würden dieselben Gefahren der Überhebung und der Nichtachtung des in deutscher Eigenthümlichkeit wirklich Begründeten wieder erwachen und damit auch die Hoffnungen des deutschen Volkes einer neuen Täuschung entgegengeführt werden.
Nur durch ein Zusammenwirken beider Factoren kann daher, nach der festen Überzeugung der Königlichen Regierung, das Ziel erreicht werden, daß auf dem Grunde und innerhalb des Rahmens des alten Bundes eine neue lebensfähige Schöpfung erstehe.
Diese Erwägung ist es, welche die Königliche Regierung zu dem Vorschlage an ihre hohen Mitverbündeten bestimmt, die Reform des Bundes sofort damit in Angriff zu nehmen,daß zur Mitwirkung für die Neugestaltung der Verfassung durch Bundesbeschluß eine allgemeine deutsche Versammlung von gewählten Vertretern berufen werde.
Die Königliche Regierung hat bereits in ihrer oben erwähnten Darlegung vom 22. September entwickelt, in welcher Weise eine Versammlung, wie sie hier in's Auge gefaßt ist, am zweckentsprechendsten gebildet werden könne. Sie muß auch jetzt an der damals vertretenen Ansicht festhalten, daß für eine Versammlung, berufen, um insbesondere das Interesse der Gesammtheit und das einheitliche Princip als solches zur Geltung zu bringen, der Grundsatz der directen Volkswahl im Gegensatze zur Delegation (seitens) der Einzeln-Kammern allein annehmbar erscheint.
Das allgemeine Stimmrecht aber muß für den im Auge gehabten Zweck und bei der Nothwendigkeit, die verschiedensten partikularen Verhältnisse einem Maßstab dienstbar zu machen, als das allein Mögliche bezeichnet werden; und nimmt die Königliche Regierung um so weniger Anstand, diese Form der Wahl in Vorschlag zu bringen, als sie dieselbe für das conservative Princip förderlicher erachtet, wie irgend einen anderen auf künstlichen Combinationen beruhenden Wahlmodus.