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Polizeiberichte über Streikbruch und Arbeitskampf in Hamburg (1889)

Gegen Ende der Bismarckzeit verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, und die Arbeitskonflikte entluden sich in einigen großen Streiks. Wie der Auszug aus einem Bericht über Streikbruch in einer Hamburger Fabrik verdeutlicht, neigte die Justiz in diesem angeheizten Klima zu der Annahme, dass die meisten Streikenden militant waren und belegte sie mit relativ harten Strafen.

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Mit den Worten „Du wärest werth, in die Elbe geworfen zu werden", soll der Former August Arnold Dahl am Abend des 14. September den Former Grüttner zu nöthigen versucht haben, die Arbeit in einer Eisengießerei auf Steinwärder, welche er kurz zuvor angenommen hatte, niederzulegen. Dahl behauptet, er habe dem Grüttner gesagt, er solle sich etwas schämen, daß er als junger Mensch erst von seinen ausgesperrten Kollegen ein halbes Jahr Unterstützung angenommen habe und dann doch in Arbeit getreten sei, trotzdem so viele ältere Kollegen, die verheirathet seien und zum Theil eine starke Familie besäßen, noch arbeitslos seien. Im Uebrigen sei Grüttner an dem betreffenden Abend so betrunken gewesen, daß es kaum möglich erscheine, daß er noch eine kleine Vorstellung von dieser Unterredung haben könne. Zeuge Grüttner behauptet auf seinen Eid, daß Dahl obige Worte gebraucht. Der Staatsanwalt hält Dahl durch die Zeugenaussagen des Versuchs der Nöthigung für überführt und beantragt die Verurtheilung unter Zubilligung mildernder Umstände zu 2 Monaten Gefängniß. Der Vertheidiger Dr. R. Gieschen plädirt für Freisprechung, da von einer versuchten Nöthigung durchaus nicht die Rede sein könne. Der Gerichtshof erkennt auf schuldig und verurtheilt den Angeklagten zu 1 Monat Gefängniß.



Quelle: Hamburger Echo, Hamburg, Nr. 298, 20. Dezember 1889.

Abgedruckt in Jens Flemming, Klaus Saul, und Peter-Christian Witt, Hg., Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen 1871-1914. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977, S. 125.

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