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Alfred Krupp, eine Ansprache an seine Angestellten (11. Februar 1877)

Alfred Krupp (1812-1887) war ein führender Industrieller und Vorreiter des privaten Arbeiterwohnungsbaus im Kaiserreich. In diesem Auszug aus einer Rede an seine Beschäftigten beruft sich der Stahlmagnat auf seine unternehmerischen Leistungen und Sozialvorhaben, um seinen patriarchalischen Anspruch des „Herrn im Hause“ zu unterstreichen und zu bekräftigen. Nicht nur sozialer Aufruhr und Streiks, sondern auch Sozialismus jeder Art stießen in dieser Ansprache bei Krupp auf klare Ablehnung. Dieser Entwurf von Krupps Rede wurde stilistisch überarbeitet, dann gedruckt und an die Beschäftigten verteilt.

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Ein Wort an meine Angehörigen

Ich richte diese Ansprache an die Angehörigen meiner gewerblichen Anlagen, der Gußstahlfabrik, der Gruben und der Hüttenwerke, vertraulich ausdrücklich beschränkt auf den Verband von Arbeitern, Meistern und Beamten des obigen Privatbesitzes. [ . . . ]

[ . . . ] Wenn eine Gefahr sich erhebt, so soll man nicht leichtsinnig sie verachten oder feige vor ihr sich zurückziehen, sondern mit offenen Augen Ursprung, Wesen und Gang derselben verfolgen und aufmerksam und tätig die Abwehr bereiten. Zu ähnlichem Zwecke richte ich an Euch das letzte Mal die Ermahnung zu Frieden und Verträglichkeit trotz jeder Glaubensverschiedenheit und wie ich glaube, nicht ohne Erfolg. [ . . . ] Jetzt handelt es sich um die sogenannte Sozialdemokratie. In der gemäßigten Form und in den mildesten Grenzen wollen ihre Vertreter, daß jedermann zur Arbeit berechtigt und verpflichtet sei unter einem allgemeinen Gesetz und einer oberen Verwaltung. Besitz und Verfügung des Privaten sollen damit aufgehoben werden. Nehmen wir einmal an, daß die Sozialdemokratie bei uns in Deutschland in der mildesten Form zur Herrschaft gelange – ohne Kampf und ohne Widerstreben (wenn dies auch gar nicht als Möglichkeit im Ernste angenommen werden kann). Nehme man an, daß auch ich freiwillig zurücktrete aus meinem Besitz und andere gewähren lasse. – Aus der Spitze der Verwaltung und von den wirklichen Eingeweihten und Befähigten würde wohl schwerlich jemand der neuen Herrschaft sich unterordnen. An Stelle der Erfahrung, welche allein imstande ist, durch geschickte Leitung der Fabrikation und des Verkehrs die Existenz der Werke zu sichern und über die Gefahren ungünstiger Zeitumstände hinwegzuführen, würden zweifelhafte unbewährte Kenntnisse und Kräfte das große Ganze dem Untergang bald zuführen. Das braucht wohl niemandem näher erklärt zu werden. Aber selbst angenommen, daß man Leute finden würde, welche die Werke zu führen im Stande wären, welche in Preis und Qualität das bisher uns vorbehaltene Kunststück ausführen würden, mit der mächtigen fremden Industrie zu konkurrieren, so würde dennoch die Fabrik untergehen müssen und ferner niemandem mehr Nahrung geben, der nicht Steine und Eisen verdauen kann. Denn bekannt ist genug, daß die Fabrik nicht existieren kann von dem inländischen Verbrauch.

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