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Die Gegenreformation in Innerösterreich (1579/80)

Gemäß den Bestimmungen des Testaments Kaiser Ferdinands I. wurden die habsburgischen Länder unter seinen Söhnen aufgeteilt: Das Erzherzogtum (Niederösterreich, d.h. das heutige Ober- und Niederösterreich); Innerösterreich (die Herzogtümer Steiermark, Kärnten und Krain) und die oberösterreichischen Länder (Tirol, Vorarlberg und Vorderösterreich im Südwesten Deutschlands). Während die oberösterreichischen Länder streng katholisch blieben, hatten Jahre der mehr oder weniger erzwungenen Toleranz in den anderen Territorien eine große Zahl Adliger – und unter deren Schutz auch viele Bürgerliche – zur lutherischen Version des neuen Glaubens konvertieren lassen. Dieser Fortschritt brachte seinen größten Ertrag unter der Herrschaft Kaiser Maximilians II. (geb. 1527, reg. 1564-76), dessen viele Konzessionen sowohl von der Anziehungskraft des neuen Glaubens zeugte als auch von den politischen Schwierigkeiten des Kaisers. In den österreichischen Territorien war das religiöse Privileg zuallererst ein Adelsprivileg, garantiert durch Abkommen zwischen Herrschern und adelsdominierten Provinzialständen.

In Innerösterreich, wo das Vorhaben der Gegenreformation seine frühesten österreichischen Erfolge erzielte, genoss es starke Unterstützung seitens des bayerischen Hofs in München. Es begann in den 1570ern unter Erzherzog Karl II. (geb. 1540, reg. 1564-90), in dessen Regierungszeit externe Unterstützung aus dreierlei Quellen zusammenkam: vom herzoglichen Regime in Bayern (Karl heiratete eine bayerische Prinzessin), der Gesellschaft Jesu (auch Jesuitenorden, gegründet in Graz im Jahr 1573) und dem Papsttum (ein päpstlicher Nuntius wurde 1580 in Graz installiert). Diese Arbeit warf seine größte Dividende ab unter Erzherzog Ferdinand (geb. 1578, reg. 1596-1637), dem Sohn Karls und (als Ferdinand II.) späteren Heiligen Römischen Kaiser.

Der zentrale politische Schlüssel zu den österreichischen Gegenreformationen war die Geltendmachung des unleugbaren Rechts der habsburgischen Fürsten, basierend auf dem Augsburger Religionsfrieden, ihre Untertanen zur Einhaltung der offiziellen Religion oder zur Auswanderung zu zwingen. Diese beiden Dokumente veranschaulichen, wie Erzherzog Karl mit bayerischer Hilfe anfing, die von ihm 1572 selbst an den protestantischen Adel gemachte Konzession der religiösen Freiheit zu unterminieren, besonders die (illegale) Ausweitung dieses Zugeständnisses durch die Adligen an Bürgerliche und weitere Gruppen. Sobald diese Ausdehnung unterbrochen war, konnte das Vorhaben der Wiederherstellung des Katholizismus beginnen. Das erste Dokument (A) berichtet über die Entscheidungen einer am 14. Oktober 1579 in München abgehaltenen Beratung, in der Karl und sein Bruder Ferdinand von Tirol und Oberösterreich sich mit Herzog Wilhelm V. (1548-1626, reg. 1579-97) von Bayern trafen. Ihre Gespräche behandelten zwei vorrangige Themen: wie die 1572 gemachte Konzession religiöser Toleranz zu untergraben sei, und wie man den Prozess der Restauration der drei Herzogtümer zum katholischen Glauben angehen sollte. Die Vorbereitungen, so stimmten sie überein, bedurften der tirolischen und bayerischen Unterstützung, und päpstlicher Druck musste auf die Bischöfe ausgeübt werden. Sie wiesen zudem auf die Kampagne der Gegenreformation hin, die in Ober- und Niederösterreich bereits im Gange war. Über ein Jahr später, am 10. Dezember 1580 erließ Erzherzog Karl eine gegenreformatorische Verordnung (B), in der er sowohl protestantische Verstöße gegen seine Autorität als auch Polemiken gegen den katholischen Glauben verurteilte. Fortan sollte nur noch die offizielle Konfession toleriert und alle säkularisierten Kirchenbesitzungen ihren rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden. Diese Maßnahme bildete den Auftakt der Kampagne, der schließlich das institutionelle und gesellschaftliche Rückgrat des Protestantismus in Innerösterreich brechen sollte.

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(A) Beschlüsse der Münchner Konferenz zwischen Erzherzog Ferdinand von Österreich, Regent in Tirol und in den Vorlanden, Herzog Wilhelm V. von Bayern und Erzherzog Karl von Österreich über die Rekatholisierung Innerösterreichs, 14. Oktober 1579


Ratschläge zur Aushöhlung der innerösterreichischen Religionskonzession von 1572 und Maßnahmen zur Anbahnung der Rekatholisierung Innerösterreichs.

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Erstlich, dass es bei denen taliter qualiter [auf solche Weise wie beschaffen] beschechnen concessionen kaineswegs bestehen künne noch müge, sondern dass die höchst unvermeidenliche notturft erfordern wolle, solche concessiones mit ehister müglichkait zwar nit offenlich per contrariam revocationem [durch formellen Widerruf], welches dann ihrer fstl. Dt. in mehr weg schwärlich fallen wurde, sed cum modis et formis [sondern mit Maß und nach Plan], das ist, indirecte, ausser eines landtags, auch nit verbis, sed factis [verbal, sondern faktisch], item nit under ainsten und fulminanter, sed pedetentim et gradatim [spektakulär, sondern schrittweise und allmählich] zu annullieren und aufzuheben. Also zu versteen:

Das ihre fstl. Dt. den ungehorsam in politischen sachen, also auch die usurpation ihrer fstl. Dt. hohaiten und regalien als bestellung und ordnung der druckereyen und dergleichen inen, den zwayen ständen, mitnichte gestatte, sondern solches alles auf mittl und weg, wie hernach zu vernemen, ernstlich und bester müglichait nach obstelle.

Item, das neben dem nichts mer zuegelassen oder gestattet werde, so ermelten concessionen in ihrem rechten verstandt zuwider, als da ist: das zuelauffen der stätt und märkt zu irer, der zwayer stände, sectischen prädicanten sowol in denen vier ausgezaigten stetten Grätz, Judenburg, Clagenfurt und Laybach als denen andern ingemain, weyl solches exercitium confessionis [Ausübung der protestantischen Religion nach der Augsburger Konfession] allain fur die zwen stend und die irigen gemaint worden.

Item, die unbeschaidenhait des offenlichen, unverschambten scalierens ihrer fstl. Dt. religion auf offner canzl, insgleichen das copulieren, kindertauffen und andere usurpation der pfärrlichen rechten, also auch ir angemasste, unordenliche, vermainte priesterweich und dan die erpauung neuer sectischen kirchen, was auch sonsten des ungereimbten dings mehr sein möchte, alles ernsts obzustellen.

Auf welchen fall dan gar nit zu zweiflen, dass sy sich stark darwider setzen und ainichen gehorsam nit laisten werden wöllen. Hergegen aber künnen ihre fstl. Dt. also replicieren, wasmassen sy lautter vermerken, dass sy, die zween steende, ihrer fstl. Dt. wolgemainten concessionen wider den lauttern puechstaben derselben ires gefallens zu extendieren, von und aus derselben zu schreitten und under solchem schein nit allein die catholische religion zu underdrucken, sondern sich auch gar aus dem schuldigen gehorsam zu straiffen, in yebung wären. Weil aber solches aller gebür zuwider und ganz unleidenlich, auch allain von iren aufruerischen, unruebigen praedicanten und derselben aufwiglerischen lehr heer volgete, wie dann ihre fstl. Dt. sy, die zween stende, sonsten von natur und irem adeligen geblüet heer vill aines andern gemüets erkenneten, dass sy demnach zu abschneidung solches einreissenden geferlichen unrotts auch inen, den stenden selbs, von besten wegen dieselben lenger nit zuesehen noch gedulden kündten, sondern bemelten iren aufrüerischen predicanten bey höchster ihrer fstl. Dt. ungnad und straff auferlegt haben wollten, sich in ainer kurz bestimbten zeit aus allen und jeden ihrer fstl. Dt. stetten und märkten gewisslich zu heben und sich darin ferrer nit betretten zu lassen.

Wann dann hierauf abermalen nit zu zweiflen, dass man sich alda ebenmässig starck darwider setzen und weniger als in dem vorigen gehorsamen werde wollen, so haben ihre fstl. Dt. alsdan umb so vil mehr ursach, sich darwider zu resentiern und sonderlich auf den religionsfriden zu dringen und sich desselben nit weniger als andere reichsfürsten zu behelfen und also inen, den widerwärtigen, noch nachners zuezusetzen. Wie dann auch durch solche gradation ermelte concessionen fein tacite et per indirectum [stillschweigend und indirekt] obsorbiert, cassiert und aufgehebt sein wurden. Auch ihrer fstl. Dt. mit grund und warhait nit fürgeworfen werden müge, als hetten sy ir zuesagen nit gehalten, sondern vill mehrers das widerspill, dass nemblich sy, die gegenthail, selbs daraus gangen und demnach auch disfalls ainicher ferrern assistenz der kaiserlichen und fürstlichen rätte gar unvonnötten sein. Und diss, sovil den modum revocandi [die Weise des Widerrufs] antrifft.

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