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Kontrolle der Dorfgeistlichkeit – Wendelstein (Franken) (19. Oktober 1524)

Im 15. und frühen 16. Jahrhundert war es in den süddeutschen Territorien für Dorfgemeinschaften üblich, die Einsetzung ihres Dorfpfarrers selbst bestimmen zu wollen. In einigen Fällen richteten Kommunen sogar neue Gemeinden ein, ebenso wie Abteien, Adlige und Fürsten in früheren Zeiten Gemeinden eingerichtet und gestiftet hatten. Die Einrichtung von Gemeinden deutet auf ein wachsendes Bewusstsein örtlicher kommunaler Autonomie hin. Am 19. Oktober 1524 wurde in der Pfarrkirche im fränkischen Wendelstein ein neuer Pfarrer eingesetzt. Das Dorf unterlag der Autorität der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, die den neuen Gemeindepriester ausgewählt hatten. Wie dieser Text belegt, fühlten sich der Bürgermeister und das Dorfgericht jedoch in der Lage, die Einsetzung des Pfarrers mit bestimmten Bedingungen zu belegen. Die Sprache ist stark kommunalistisch gefärbt, insbesondere hinsichtlich der Betonung, dass der Pfarrer nicht Herr der Gemeinde, sondern ihr Diener sei. Die Forderung der Dorfbewohner nach der freien Predigt eines reinen, unverfälschten Evangeliums legt den Einfluss Luthers nahe.

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1524, 19. Okt. Dorfmeister und Gemeinde zu Wendelstein bei Schwabach. Vorhalten gegen ihren Pfarrer


Nun lieber Bruder und guter Freund, seit du hieher (wiewol von uns unberuft) selbs kummen bist aus Bevelhe u.g.H. des Marggrafen etc. obgemelt, unser Diener zu sein, soltu vernemen, was unser Begern und Fürnemen ist, des du dich auch fürtran halten solst.

1. so werden wir dich für kain Herren, sunder allain für ein Knecht und Diener der Gemaind erkennen, das du nit uns, sunder wir dir zu gebieten haben, und bevelhen dir demnach, das du uns das Evangelion und Wort Gottes lauter und klar nach der Warheit (mit Menschenlere unverhenkt und unbefleckt) treulich vorsagest.

Zum 2., das du in der Gemain und Kirchen dem Evangelion mit der Tat nachfarest als ein getreuer Diener Jesu Christi. Das Sacrament des Testaments Jesu Christi soltu austailen und anders damit nit handeln, dann wie uns der Herr gelernt und bevolhen hat.

Desgleichen auch soltu mit dem Sacrament der Tauf handeln offenlich, das meniglich versteen möge und des erinnert werde. Was aber anders unnützen Dings und gotzlesterlichen Wesens ist, soltu dich genzlich und gar entschlachen. allain bei dem ewigen und einigen Wort Gotes bleiben, dich durch kainerlei Weis, weder durch Menschen lere noch Gebot, davon leiten oder schrecken lassen, wie dann einem rechten Hirten zugehört. Wo du dasselbig tun wurdest (wie gemelt ist), wöllen wir dich als ein rechten Hirten und getreuen Diener Jesu Christi erkennen.

So du aber das Widerspil halten wöltest, dich für ein Herrn fürgeben, deins Gefallens leben, soltu wissen, das wir dich nit allain für ein ungetreuen Diener erkennen werden, sunder als einen reißenden Wolf bis ins Netz verfolgen und dich kainsweg bei uns gedulden.

Item, dieweil wir verschiner Zeit von der Pfaffhait manigfeltig sein bemüet und angefochten worden, als mit Opfern, Seelgerecht, Belonungen und andern erdichten Dingen, dadurch wir in Unkosten sein gefürt worden. Und so wir nun durch das Evangelion bericht werden, das es der Herr umbsunst gibt [Mt 10, 8] und nit umb Gelt sol verkauft werden, ist das unser Mainung und endlicher Beschluß, das man weder dir noch einem andern solcher Ding aus Gerechtigkeit kains geben sol.

Seind aber die Diner des Worts (bei denen, so sie das Wort verkündigen) Enthaltung und Leibs Notturft gewarten und haben sollen, ist uns gut Wissen, das ditz Ampt oder Pfarr von unsern Voreltern sein Begabung hat, davon gemainer Diener und Pastor sein Enthaltung haben kan und sol, davon wir (als vom Lehen) nicht Willens sein, etwas zu nemen solcher Zugehöre, nemlich etlich Zins, Holzmark, Wisen und Ecker, wie die dann veraint und verstaint sein. Magstu dich zur Leibs Notturft, als ein getreuer Diener, wie oben begriffen ist, gebrauchen. Was aber uber das vorhere durch ander unbillich begert und von den Scheflein Christi geschunden ist, des soltu kain ferner Anfordrung haben, sunder dich an solchem (wie billich) genügen lassen.

Item: Ob sich begeben wurde, das du gegen einem oder mer Pfarrverwanten Zuspruch und Anklag vermainst zu haben, soltu kainen weder gen Eistet noch anderswo fürwenden, dann für sein verordnenten Richter und Herschaften. Dergleichen sol es auch mit dir gehalten werden, das dich kainer anderst bemühen sol, dann für den Richter hie oder unser gnedig Herrn die Marggrafen etc. oder an Irer fürstlichen Gnaden stat für Irer Gnaden Amtleuten zu Schwabach.

Item: Es begit sich je zu Zeiten, das man die Kranken in eußern Dörfern, die in die Pfarr gehören, mit dem Sacrament bewaren und versehen sol. Und so oft das Not geschieht zu Rayberßrieth, ist man nit schuldig, ein Pferd zu schicken. Darüber soltu Fleiß haben, das niemant verkürzt werd.

Damit wöllen wir die Sachen beschlossen und dich des erinnert haben, du nemest die Posseß darüber ein oder nit, sol es also gehalten sein.

Und ermanen dich nochmals brüderlich, das du die Sachen zu Herzen fassest, dich haltest und erzaigest einen undertenigen Diener des Herrn, der da schneit das Wort nach der Warhait. Darzu helf dir Got und uns allen! Amen.

Und auf solich christlich Fürhalten hat der Pfarrher zu Wendelstain die Posseß der Pfarr angenummen, sich auch bewilligt, demselben also, als ein getreuer Diener christlicher Gemain, so vil im Got Gnad verleiht, Volg ze tun. Actum am Mittwoch nach Galli Anno etc. 24.



Quelle: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, gesammelt und herausgegeben von Günther Franz. Darmstadt: WBG, 1963, S. 315-17.

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