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Radikale gegen Protestanten – Ein Angriff auf geistliche Ansprüche auf weltliche Macht (1530)

Einer der hauptsächlichen Streitpunkte zwischen den Protestanten und den Täufern bestand in der Autorität weltlicher Herrscher, in Glaubensangelegenheiten zu intervenieren. Hier – und nicht in der Erwachsenentaufe – lag tatsächlich der Schlüssel zur Verfolgung der Radikalen. Das unten wiedergegebene anonyme Pamphlet erschien 1530 in Nürnberg, wo es einen polemischen Wortwechsel mit Lutherischen Reformern auslöste. Der Autor argumentiert, dass – im Gegensatz zur gängigen Ansicht im 16. Jahrhundert – weltliche Regierungen in Glaubensfragen weder intervenieren noch Druck ausüben dürfen.

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Ob ein weltlich oberkait recht habe, in des glaubens sachen mit dem schwert zu handeln.


Es wil das wurgen und verjagen umb des glaubens willen kein end nemen. Die lutherischen oberkait wollen der widertauffer und sacramentarier nit leyden. Die zwinglianischen oberkait wollen der widertauffer auch nit haben. So farn die bapstischen zu, brennen, wurgen und verjagen euangelisch, lutherisch, zwinglisch, widertaufferisch und was nit irs glaubens ist.

Die bapstischen haben solchs furnemens, halt ich, keinen andern grundt den ir fauls recht, dieselben muß man, wo sie daruff pleyben und auff Gottes wort oder auch vernuft und billichait nit achten wollen, lassen faren, als lang in Got gestat.

Von den oberkaiten aber, die euangelisch, lutherisch, zwinglisch sind und die sich annemen, Gottes wort zu horn, zu volgen und gar in keinem stuck darwider zu handeln, ob gleich das bapstisch recht sampt dem kaiserlichen, unter dem bapstum gemacht, ein anders fordert (wie dan auch all gesetz, ordnung und gebreuch Gottes wort billich weichen sollen). Von denselben, sag ich, wolt ich gern horn, woher sie das recht hetten, das sie den glauben meystern, nemlich die, so ires glaubens nit sein wollen, entweder wurgen oder sunst von hab und gut, weib und kinden verjagen und das landt verbieten.

Ich hab noch nichtz sunders horen aufbringen dan eines yden gutduncken, das sie sagen, dieweyl einer yden oberkait zustee, den iren in zeitlichen dingen, leib und gut belangend, vorzusein, damit inen kein schad widerfar, so gebur sich noch vil mer, dasselb im gaistlichen zu thun, da es den glauben und das hochst gut betreffen, damit die irn nit vergift oder verfurt werden.

So man aber fordert, sie sollen schrifft furn, dise meynung zu bestetigen, so ist niemant daheim, oder weysen uns in das Alt Testament, wie vor zeytten die judischen konig den bevolhen gotsdinst gehandthapt, den aptgotischen gewerdt und die gotzen abgethon haben. Sagt man hinwider, das Alt Testament oder judisch gesetz binde uns nicht und sie sollen beweysen, wo im Newen Testament der weltlichen oberkait bevolhen sey, fur den glauben ze sorgen oder die unglaubigen mit gewalt oder dem schwerdt zu straffen, so steckt es aber.

Nun ist gewiß war, das das Alt Testament keinen menschen mer bindt, und wo man sich in einem stuck gefangen gebe, als ob man es darumb und von deswegen thon muste, das es im Alten Testament also gebotten were, wie wolten wir uns der andern stuck erwern? Wer eins notig, so wern sie all notig, wie auch Paulus Gal. 5 [3] clar schleußt und wider die, so die beschneidung notig machen, spricht: Welcher sich beschneiden laß, der sey das gantz gesetz schuldig zu thon. Darumb mußen wir uns das Alt Testament kurtz gar nichtz gebieten oder notigen laßen, sonder uff unser New Testament sehen.

Das New Testament aber redt von zweyerlai reichen uff erden, nemlich von einem gaistlichen und von einem weltlichen. Das gaistlich reich ist das reich Cristi, darin Cristus konig ist. So hat das weltlich reich auch seinen konig, nemlich den kaiser und ander oberkaiten. Wie underschidlich nu ein ydes der beder reich seinen konig hat, als underschidlich hat es auch sein scepter, ziel und ende. Des gaistlichen reichs scepter ist das wort Gottes; das zil und ende, dahin solich scepter raytzen und bewegen sol, ist, das sich die lewt zu Got keren und nach disem leben selig werden. So ist des weltlichen reichs scepter das schwerdt; sein zil und ende, dahin es treyben und zwingen sol, ist, das eusserlich frid erhalten werde.

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