Die Auflösung der Akademie der Wissenschaften der DDR und ihre Überführung in neue Strukturen – ein Beispiel für den Konversionsprozess in Ostdeutschland in Folge der Wiedervereinigung
Einführung: [ . . . ]
Nicht nur die alten Kombinatsstrukturen der DDR-Wirtschaft brachen 1990 weg, auch die Wissenschaftslandschaft wurde in einem gewaltigen Transformationsprozess umgestaltet und den westlichen Strukturen angepasst. Der Autor dieses Beitrages versteht sich nicht als Historiker und möchte auch keine politische Bewertung des gesamten Prozesses vornehmen. Als Manager und Beteiligter liegt sein Fokus alleine auf der Gestaltung des Veränderungsprozesses, der Entscheidungsvorbereitung und -findung sowie auf der Analyse der erreichten Ergebnisse. Denn trotz der Einmaligkeit des Wiedervereinigungsprozesses in Deutschland sind die ihm zugrunde liegenden Mechanismen im Management übertragbar auch auf andere Problemstellungen in anderen Ländern – und das ist es, was man aus diesem Beitrag lernen kann.
Die Leser sollten insbesondere bei der Betrachtung der Zeitabläufe beachten, dass die Währungsunion zwischen der BRD und der DDR zum 01.07.1990 in Kraft trat und die Wiedervereinigung am 03.10.1990 vollzogen wurde. Bis dahin galt in großen Zügen im Osten das Recht der DDR unverändert weiter, das heißt, dass ein Großteil der aufgelisteten Aktivitäten nach geltendem Recht verboten bzw. nicht zulässig war.
I. Die Veränderungen in der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW)
Aus öffentlich zugänglichen Quellen und internen Protokollen lassen sich folgende markante Anlässe im Veränderungsprozess der AdW auflisten:
26.1.1990
Direktorenkonferenz der AdW in Berlin
Es wird eine Deklaration verfasst, die die Unabhängigkeit der AdW von staatlichen Stellen beschreibt.
März 1990
Eine Initiativgruppe legt einen Vorschlag zur Neuordnung der AdW vor. Ziel ist die Bildung einer Forschungsgemeinschaft der einzelnen AdW-Institute, die sich in Sektionen gliedern und durch Sektionsräte geleitet werden sollen. Die Finanzierung soll durch den Staat erfolgen. Es wird vorgeschlagen, aus den anwendungsnah arbeitenden Instituten eine „Leibniz-Gesellschaft“ zu gründen, die sich zu 40 % aus dem Staatshaushalt und zu 60 % aus Industrieaufträgen finanziert.
Die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft in der BRD widersprachen dieser Absicht im Hinblick auf die zukünftige gesamtdeutsche Forschungslandschaft entschieden.
(Tenor: Deutschland braucht keine weitere Wissenschaftsorganisation)