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Republikflucht von Jugendlichen sowie jugendliche Rückkehrer und Zuziehende in der Zeit vom Januar bis September 1960 (10. November 1960)

Unter den Menschen, die Anfang der 1960er Jahre die DDR verlassen und nach Westdeutschland flüchten, sind immer mehr junge Leute. Der Bericht der Arbeitsgruppe für Jugendfragen beim ZK der SED bestätigt, dass junge Facharbeiter und Lehrer, darunter häufig Mitglieder der kommunistischen Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ), in großer Zahl flüchten. Kritisiert wird, dass diese Fluchtwelle nicht ernst genug genommen wird und die Partei die politisch-ideologische Arbeit unter den Jugendlichen vernachlässigt. Zu wenig genutzt werden auch die Erfahrungen der Jugendlichen, die enttäuscht über die politischen und sozialen Verhältnisse aus der Bundesrepublik in die DDR zurückkehren.

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Arbeitsgruppe für Jugendfragen beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
Republikflucht von Jugendlichen sowie jugendliche Rückkehrer und Zuziehende in der Zeit vom Januar bis September 1960

Berlin, 10. November 1960



Bei dem vom Sekretariat des Zentralkomitees beschlossenen Brigadeeinsatz der Arbeitsgruppe Jugend im Bezirk Karl-Marx-Stadt zu den Fragen der massenpolitischen Arbeit unter der Jugend stellten wir fest, daß die Republikflucht von Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren in der Zeit von Januar bis September 1960 bedeutend zugenommen hat.

Die Arbeitsgruppe Jugend hat daraufhin veranlaßt, daß, sowohl vom zuständigen Sektor im Zentralkomitee als auch vom Staatsapparat, eine Gesamtübersicht über Republikflucht, Rückkehr und Zuzug von Jugendlichen an uns gegeben wird.

Die Überprüfung dieser Materialien ergibt folgende Tatsachen:

1.) Die Republikflucht von Jugendlichen im Alter von 15 bis 25 Jahren hat in dieser Zeitspanne bedeutend zugenommen.

Insgesamt verliessen die Republik 43.658 Jugendliche
davon 24.577 männliche und 19.081 weibliche Jugendliche.

Im Monat Februar liegt die Zahl dieser Jugendlichen mit 2.815 am niedrigsten. Steigert sich dann bis zum Mai auf 5.804, sinkt im Juli auf 4.669 und erreicht im August die Zahl von 6.153 und im September 7.331.

Ein Vergleich mit den Jahren 1958 und 1959 zeigt ein bedeutendes Ansteigen der Republikflucht von Jugendlichen.

Im Jahre 1958 waren es von Januar bis Dezember 60.727. Im Jahre 1959 waren es von Januar bis Dezember 42.647, davon in der Zeit von Januar bis September 1959 31.635 Jugendliche, die die Republik verliessen.

Im Verlaufe des gesamten Jahres 1960 stehen dabei folgende Bezirke in der Republikflucht von Jugendlichen an der Spitze, wobei die in Klammern angegebenen Zahlen die Monate August und September betreffen.

Magdeburg (490 - 499)
Leipzig (558 - 545)
Erfurt (541 - 583)
Karl-Marx-Stadt (525 - 618)
Dresden (535 - 669)
Potsdam (645 - 785)
Berlin (639 - 806)

Von diesen republikflüchtigen Jugendlichen war ein nicht unbeachtlicher Teil Mitglied der FDJ. Das geht aus folgender Übersicht hervor:

In den Monaten Juli, August und September 1959 verliessen 12.151 Jugendliche die Republik, davon 1.750 FDJ-ler.

In dieser gleichen Zeit des Jahres 1960 verliessen 18.153 Jugendliche die Republik, davon 2.920 Mitglieder des Jugendverbandes.

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