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Dörfliche Handgreiflichkeiten vor dem Reichskammergericht – Wolfisheim (Elsass) (1524/25)

Die Konsolidierung der Territorialverwaltung stellte die Dörfer unter stärkere fürstliche und städtische Kontrolle. Eine der hieraus resultierenden Veränderungen war die verbesserte Reichsjurisdiktion über Dörfer und Kleinstädte, ein Prozess der manchmal als „Judikalisierung“ bezeichnet wird. Die Einrichtung neuer Reichsgerichte begann im Prinzip mit der Schaffung des Reichskammergerichts in Worms 1495. Das hier abgedruckte Dokument gewährt einen seltenen, frühen Einblick in einen neuen Weg juristischer Berufung, der das Dorfgericht mittels der örtlichen höheren Gerichtsbarkeit mit einem Reichsgericht verband. Der hier geschilderte Fall begann mit einer Messerstecherei in einer Dorfschänke in Wolfisheim, einer Gemeinde in der Nähe von Straßburg im Elsass. Einer der Beteiligten, Arbogasts Hans, verklagte Linsers Hans vor dem Dorfgericht wegen Körperverletzung und Lohnausfall, das Dorfgericht verwies den Fall an die höhere Gerichtsinstanz in Straßburg. Nach seiner Verurteilung legte der Angeklagte beim Reichskammergericht in Esslingen Einspruch gegen das Straßburger Urteil ein. Diese Unterlagen der ersten Verhandlung in Wolfisheim (acta primejnstantie) wurden auf Anforderung des Reichskammergerichts vorgelegt, welches die Bereitstellung der Gerichtsunterlagen für den Berufungskläger forderte.

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Acta primejnstantie

Lynsers Hannsen vs. Arbogasts Hansen
Eßlingen 18 Junij Anno. etc. 25

Dem Wolgepornen ouch dem Strenngen Hochgelertten, Ernuesten vnnd Furnemen Hern, Camerrichtern, ouch denn beysitzern des keyserlichen Camergerichts zu Eßlingen, vnsern gendigen herren.

Wolgeporner, Gestrenngen, Hochgelerten, Ernuesten vnnd Furnemen, gnedig Herrn. E. G.* sihen zuuor vnser vnnderthenig gehorsam willig dienst. Gnedigen hern. Vnns ist von E. G. ein compulsorial oder zwangbrieff zukomenn. Dem vns geboten, Linsers Hansen als appelanntten alle gerichtliche acta vnnd handlung, vor vns zwischen jm, eins, vnd Arbogasts Hannsen, anderntheils, inpracht, vff gepurende besoldung mitzutheylen. Daruff wir dann E. G. zu vndertheniger gehorsame alles das jhenn, so von den parthien vor vns als Richtern ingefurt, wie dann solichs in gschrifft verfaßt vnnd volgende ein loblichen Rat der Stat Straßburg in gezugks wyse vnnsern altten gepruch nach vberschickt worden ist, jnn dise pletter oder Register abschriben vnnd dem begerennden theil vff sine belonung lossen werden. Wie dann E. g. zuuernmen hat, hiemit vns als deren arme vnderthenigen gehorsame in gnedigen Schutz vnnd schirm beuelhendt. Clag vnnd antwort zwischen Arbogasts Hansen, clegern, an eim, vnnd Linsers Hannsen, antworttern, andertheils vor Schultheis vnnd gericht zu Wolffsheim furpracht, wie harnoch stat.



* "E.G." = "Euer Gnaden"

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