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Mütter, Karrieren und Elternzeit (23. April 2006)

Die Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), siebenfache Mutter und ausgebildete Ärztin, steht im Mittelpunkt dieses Berichts eines amerikanischen Journalisten. Er beschreibt die Schwierigkeit, Mutterschaft und Karriere in Deutschland zu vereinen und diskutiert die von der Ministerin vorgeschlagene Elternzeit, welche Familien finanziell unterstützen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern soll.

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Sprach der Rabe: ich backe auch Kekse


Deutschland, die Geburtsstätte des Kindergartens und Ort einiger der weltweit großzügigsten Schwangerschaftsurlaubsregelungen, wird sicherlich alles tun, um berufstätigen Müttern das Leben zu erleichtern, richtig?

Nein. Unter den hoch entwickelten Ländern sind nur wenige so resistent gegenüber der Vorstellung von der berufstätigen Mutter, und die Abneigung lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Rabenmutter.

Es bezieht sich auf Frauen, die ihre Kinder in einem leeren Nest zurücklassen, während sie davonfliegen, um Karriere zu machen. Das Wort, das klingt, als ob es den Grimmschen Märchen entstammt, wird in Deutschland seit Jahrhunderten als Synonym für eine schlechte Mutter gebraucht. Heute befindet es sich im Zentrum einer neuen Debatte über die Zukunft der deutschen berufstätigen Frau, angestoßen von Kanzlerin Angela Merkel, der ersten Frau an der Spitze des Landes.

Frau Merkel, eine Physikerin und Politikerin, hat selbst keine Kinder, was sie typisch für ihre Generation deutscher berufstätiger Frauen macht. Doch sie hat Ursula von der Leyen, Ärztin und siebenfache Mutter, zur Familienministerin ernannt.

Dr. von der Leyen hat es sich zur Aufgabe gemacht, einige tief verwurzelte, wenn auch nur leise geäußerte Vorurteile innerhalb der deutschen Gesellschaft zu beseitigen, darunter vor allem jenes, dass Frauen sich zwischen Beruf und Kindererziehung entscheiden müssten.

Für ihre Kritiker, von denen viele Mitglieder ihrer eigenen Partei, den Christdemokraten, sind, ist Dr. von der Leyen die jüngste Inkarnation der Rabenmutter – ein ehrgeiziges Geschöpf, das entschlossen ist, ihren eigenen übermenschlichen Lebensstil den Frauen aufzudrängen, die ihn sich weder leisten noch bewältigen können.

Dabei spielt es keine Rolle, dass Menschen, die Raben studieren, von ihnen sagen, sie seien sehr fürsorgliche Mütter. Oder dass Dr. von der Leyen noch nicht einmal rabenschwarze Haare hat (ihr locker frisiertes Haar ist blond). Was ihre Kritiker aufregt, ist, dass sie in ihrer Botschaft kompromisslos ist. „Die Frage ist nicht, ob die Frauen arbeiten werden,“ sagte sie in einem Interview. „Sie werden arbeiten. Die Frage ist, ob sie Kinder haben werden.“

Sie sagt, Deutschland muss es den Frauen leichter machen, beides zu tun, denn es hat momentan eine der weltweit niedrigsten Geburtenraten. Die Zahl der 2005 hier geborenen Kinder war die niedrigste in einem Jahr seit 1945. Wenn der Trend anhält, wird die Bevölkerung bis 2050 um 17 Prozent abgenommen haben – und damit die Wirtschaft sowie ein ohnehin bereits strapaziertes Sozialsystem lähmen.

Durch Einwanderung kann nur ein Teil des Problems gelöst werden. Selbst wenn der jährliche Zustrom an Einwanderern sich auf 200.000 verdoppelte, würde die Bevölkerung bis 2050 noch immer um 8,5 Prozent schrumpfen. Und Deutschland kämpft bereits jetzt damit, die derzeitigen Wellen von türkischen und anderen Einwanderern aufzunehmen.

Die Antwort liegt laut Dr. von der Leyen in einer Reform der Familienpolitik. Während diese relativ großzügige Prämien und Leistungen, wie zweijährigen Erziehungsurlaub, bietet, trägt sie ebenfalls dazu bei, die Frauen zu einer langfristigen Wahl zwischen Beruf und Familie zu drängen.

Kindergärten und Kindertagesstätten schließen mittags, und die meisten staatlichen Schulen enden um 13 Uhr. Mütter ohne hilfsbereite Eltern oder dem Budget für einen Babysitter sitzen fest.

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