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Der weite Weg zur Gleichberechtigung (November 2005)

Im Gender-Datenreport, der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angefertigt wurde, werden einleitend Fortschritte und nach wie vor bestehende Mängel auf dem Weg der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau beschrieben. Dabei wird insbesondere auf wichtige rechtliche Grundlagen und unter anderem auch auf die Rolle der Europäischen Union bei der Gleichstellungspolitik verwiesen.

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Einleitung

Seit Bestehen der Bundesrepublik haben sich die Lebensverhältnisse von Frauen und Männern in Deutschland enorm verändert. Dieser Wandel wurde schon Ende der 70er-Jahre auf die Formel „Vom Patriarchat zur Partnerschaft“ gebracht. Jutta Limbach stellte jedoch 1988 dazu fest, dass „diese dynamisch klingende Redensart unzutreffende Ein- und Gradlinigkeit vortäuscht“. Tatsächlich sind unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Egalisierung der Lebensbedingungen von Frauen und Männern zu beobachten, je nachdem welche Lebensbereiche und welche Gruppen von Frauen und Männern man betrachtet. So ist etwa die Integration von kinderlosen Frauen ins Erwerbsleben auch in Deutschland weit vorangeschritten, die Erwerbsbeteiligung von Müttern bleibt in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten noch begrenzt.

Die stärkere Erwerbsorientierung von Frauen in Deutschland, die zunehmend auch Mütter erfasste, hat nicht automatisch eine egalitäre Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit zur Folge. Noch immer leisten Männer deutlich mehr bezahlte und Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit. Die nach 1986 entwickelten Regelungen zum Elternurlaub bzw. zur Elternzeit werden bis heute fast nur von Müttern in Anspruch genommen. Das 1996 etablierte Recht auf einen Kindergartenplatz verbessert inzwischen zusammen mit den Regelungen zur Elternzeit die beruflichen Perspektiven von Müttern. Das Betreuungsangebot ist allerdings noch unzureichend, und es gibt im deutschen Steuer- und Sozialsystem noch immer Anreize für Paare mit Kindern, ein Familienmodell mit männlichem Hauptverdiener und gering verdienender Ehefrau zu favorisieren.

Einer gleichen Teilhabe an politischen Entscheidungen sind Frauen näher gerückt. In den Spitzenpositionen des politisch-administrativen Systems finden sie sich inzwischen weit häufiger als in den Spitzenpositionen der Wirtschaft.

Mit der Vervielfältigung von Lebensformen und der Modernisierung der Ernährer-Hausfrauen-Familie durch das Vollzeit-Teilzeit-Modell nehmen Frauen mehr Handlungsspielräume wahr als in vergangenen Jahrzehnten, doch ist in den neuen Lebensformen, den nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften und den Beziehungen der ledigen oder geschiedenen Mütter und Väter zu ihren (ehemaligen) Partnerinnen und Partnern Partnerschaftlichkeit keineswegs gesichert.

Über Jahrzehnte waren Frauen für eine eigenständige Existenzsicherung schlecht gerüstet. Viele Eltern ermöglichten nämlich in erster Linie ihren Söhnen eine gute Ausbildung. Dies gilt heute nicht mehr. Bis heute beeinträchtigt allerdings der von Müttern oft unfreiwillig praktizierte familienbedingte Ausstieg aus dem Erwerbsleben langfristig ihre beruflichen Chancen.

Verschiedene Bundesregierungen trugen der Entwicklung neuer Lebensformen mit gesetzgeberischen Maßnahmen Rechnung. Soziale Härten, die mit ihnen insbesondere für Frauen verbunden waren, wurden abgemildert. Dies leistete zum Beispiel die Eherechtsreform von 1976, das Unterhaltsvorschussgesetz 1980 und dessen Novellierung 1993. Umgekehrt fanden die Wünsche von Vätern Beachtung, nach Trennung und Scheidung Kontakt zu ihren Kindern zu behalten. In diesem Zusammenhang ist das neue Kindschaftsrecht zu sehen, das 1998 in Kraft trat.

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