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Das Patent Josephs II. zur Aufhebung der Leibeigenschaft (1. November 1781)

Manche Historiker haben dieses Reichsgesetz missverstanden als eine pauschale Umwandlung der leibeigenen Bauern der österreichischen Monarchie zu freien Bauern, doch tatsächlich war die Leibeigenschaft außerhalb von Galizien ein ungewöhnlicher Rechtsstatus. Die meisten Dorfbewohner unterstanden ihren Feudalherren als „Untertanen“, verfügten jedoch über die Rechte von Freien nach lokal vorherrschenden Verhältnissen, beispielsweise, dass ein Bauer, der den herrschaftlichen Hoheitsbereich verließ, seinem Herren eine moderate Gebühr bezahlen sollte. Maria Theresia hatte die Leibeigenschaft auf den Krongütern bereits beendet. Der Erlass Josephs erreichte dies in breiterem Umfang für Untertanen adliger Gutsherren, besonders in den böhmischen Territorien der Monarchie. (Die Leibeigenschaft in Galizien und Ungarn harrte noch gesonderter Maßnahmen.)

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Leibeigenschaftsaufhebung. N. V.


Die Leibeigenschaft wird von nun an in Böhmen gänzlich aufgehoben, anstatt derselben eine gemässigte Unterthänigkeit eingeführt, und folgendes gesetzmässig vorgeschrieben.

1) Ist ieder Unterthan bloß gegen vorhergehende Anzeige und unentgeltlichen Meldzettel sich zu verehelichen berechtiget, so wie

2) Jedem Unterthan freisteht, unter Beobachtung dessen, was das Werbbezirkssistem vorschreibt, auch von der Herrschaft wegzuziehen, und innerhalb des Landes sich niederzulassen, oder Dienste zu suchen. Nur haben iene Unterthanen, die von ihren Herrschaften wegziehen, und sich anderswo häuslich oder inwohnungsweise niederlassen wollen, ebenfalls den unentgeltlichen Entlaßschein, den sie auch der neuen Grundobrigkeit aufzuweisen, und dadurch, daß sie von der vorigen grundobrigkeitlichen Pflicht entlassen sind, zu bestättigen haben, zu begehren.

[ . . . ]

3) Können die Unterthanen nach Willkür Handwerke und Künste erlernen, und ohne Losbrief, welche ohnehin schon gänzlich aufhören, ihrem Nahrungsverdienste da, wo sie ihn finden, nachgehen.

4) Sind die Unterhanen künftig nicht mehr schuldig, einige Hofdienste zu leisten; nur haben

5) iene, die beider Aeltern verwaiset sind, wegen der von der Obrigkeit unentgeltlich zu besorgenden Obervormundschaft die gewöhnlichen Waiseniahre, welche doch nirgends drei Jahre zu übersteigen haben, und nur dort, wo sie Herkommens sind, auf dem Hofe abzudienen.




Quelle: Joseph Kropatschek, Hg., Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph II. für die k.k. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer sistematischen Verbindung: enthält die Verordnungen und Gesetze vom Jahre 1780 bis 1784. Erster Band. Wien: Moesle, 1785, S. 74-77.

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