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Die Arbeit der Treuhand im Rückblick (2005)

Als Teil einer Ringvorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin im Sommersemester 2003 wurden Vertreter von Politik und Wirtschaft gebeten, die Arbeit der Treuhand kritisch zu bilanzieren. Die Beiträge wurden überarbeitet in einem Buch zusammengefasst. Birgit Breuel, Präsidentin der Treuhandanstalt von 1991 bis 1994, verteidigt die damalige Privatisierungsstrategie, spricht jedoch unumwunden die Probleme an, die mit dem Tempo und den Kosten der Privatisierung Ostdeutschlands verbunden waren.

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Bei allen bekannten Schwierigkeiten und Fehlern gilt die Einführung marktwirtschaftlicher Verhältnisse in der ehemaligen DDR als zentraler Erfolg der Transformation, als beispiellos in der Weltgeschichte. Trotz aller Bedenken zu Geschwindigkeit und Kosten der Privatisierung Ostdeutschlands ist unumstritten, dass sie einen unumkehrbaren Schritt in Richtung Marktwirtschaft ermöglicht hat. Die zentrale Verantwortung für diese Aufgabe hat die Treuhandanstalt getragen. Sie hat die Privatisierung Ostdeutschlands so schnell und konsequent durchgeführt, dass kaum Zeit zur Introspektion blieb, um über das Modell Treuhandanstalt urteilen zu können. Heute besteht Dissonanz über Erfolge und Misserfolge des Modells.

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Die Bilanz der Treuhand

Die tägliche Arbeit in der Treuhandanstalt war nicht so geordnet und schematisch geregelt, wie man das aus den bisherigen Ausführungen vermuten könnte. Wir mussten viele Gebiete gleichzeitig behandeln. Die eigentlichen Privatisierungsgeschäfte vorantreiben, Kontrollen einbauen, Personal- und Datenverwaltung einrichten, Regelwerke und Richtlinien verfassen. Es war eine Zeit des learning by doing in seiner reinsten Form.

Als die Treuhandanstalt am 31. Dezember 1994 ihre Arbeit einstellte, hatte sie

• 15.102 Privatisierungen vorgenommen;
• 4.358 Unternehmen reprivatisiert, an die alten Eigentümer oder ihre Nachkommen zurückgegeben;
• 310 Betriebe kommunalisiert bzw. in die Obhut der Gemeinden gestellt;
• 3.718 Betriebe nach Teilprivatisierung und Outsourcing abgewickelt und stillgelegt. Die Nachfolgerin der Treuhand, die BvS, übernahm noch einen Restbestand von 192 Unternehmen, vor allem in Management KGs;
• für rund 25.000 kleine Geschäfte, Läden, Gaststätten und Apotheken neue Eigentümer gefunden. Die Liegenschaftsverwaltung der Treuhand (TLG) hatte 36.800 Immobilien, die Treuhand selbst 9.700 Objekte veräußert.

In nicht einmal fünf Jahren wurden insgesamt etwa 85.000 individuelle Privatisierungsverträge geschlossen, die alle Geschäftsbereiche und Größen – von der Kneipe über Bauland für Wohnungsbau oder Industrieansiedlung bis zu einem integrierten Stahlwerk – betrafen.

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