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„Blühende Landschaften” (1. Juli 1990)

Am Tag der Einführung der DM auf dem Gebiet der DDR fordert Bundeskanzler Helmut Kohl die Bürger der Bundesrepublik zur Solidarität mit den Landsleuten im Osten auf und verspricht eine reibungslose Vereinigung ohne finanzielle Opfer. Als Ausfluss der antizipierten „blühenden Landschaften“ würde eine schnelle Verbesserung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands eintreten. Der Ausdruck „blühende Landschaften“ deutet eine prosperierende Wirtschaft an, die so nicht eintraf und wurde deshalb folglich dazu benutzt, um die Vereinigungspolitik der Bundesregierung zu kritisieren.

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Fernsehansprache des Bundeskanzlers Kohl zum Inkrafttreten der Währungsunion am 1. Juli 1990


Liebe Landsleute!

Vor wenigen Wochen wurde der Staatsvertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik unterzeichnet — hier im Palais Schaumburg, dem Amtssitz früherer Kanzler der Bundesrepublik Deutschland.

Seit heute ist dieser Vertrag in Kraft.

Dies ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Einheit unseres Vaterlandes, ein großer Tag in der Geschichte der deutschen Nation.

Jetzt wird für die Menschen in Deutschland — in wichtigen Bereichen ihres täglichen Lebens — die Einheit erlebbare Wirklichkeit.

Der Staatsvertrag ist Ausdruck der Solidarität unter den Deutschen: Die Deutschen in der Bundesrepublik und in der DDR sind jetzt wieder unauflöslich miteinander verbunden. Sie sind es zunächst durch eine gemeinsame Währung, durch die gemeinsame Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Sie werden es bald auch wieder in einem freien und vereinten Staat sein.

Die Deutschen können jetzt auch wieder ungehindert zueinander kommen. Seit heute herrscht an der Grenze freie Fahrt. Wir freuen uns darüber; über vierzig Jahre haben wir darauf gewartet.

Wir denken in dieser Stunde auch besonders an jene, die an Mauer und Stacheldraht ihr Leben verloren haben.

Der Staatsvertrag dokumentiert den Willen aller Deutschen, in eine gemeinsame Zukunft zu gehen: in einem vereinten und freien Deutschland.

Es wird harte Arbeit erfordern, bis wir Einheit und Freiheit, Wohlstand und sozialen Ausgleich für alle Deutschen verwirklicht haben. Viele unserer Landsleute in der DDR werden sich auf neue und ungewohnte Lebensbedingungen einstellen müssen — und auch auf eine gewiß nicht einfache Zeit des Übergangs. Aber niemandem werden dabei unbillige Härten zugemutet.

Den Deutschen in der DDR kann ich sagen, was auch Ministerpräsident de Maizière betont hat: Es wird niemandem schlechter gehen als zuvor — dafür vielen besser.

Nur die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion bietet die Chance, ja die Gewähr dafür, daß sich die Lebensbedingungen rasch und durchgreifend bessern.

Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg/Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg; Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.

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