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Memorandum des US-Außenministeriums (20. Dezember 1958)

In Reaktion auf die Rede Chruschtschows vom 10. November 1958 und das Berlin-Ultimatum der Sowjetunion vom 27. November 1958, das einen Abzug der Westalliierten aus Berlin fordert, legt das amerikanische Außenministerium ein ausführliches Memorandum zur Geschichte der alliierten Besatzungsabkommen seit 1943 vor. Das Memorandum macht deutlich, dass sich die Anwesenheit der drei Westmächte in West-Berlin und ihre Rechte als alliierte Kontrollmächte nicht aus dem Potsdamer Abkommen vom August 1945 ableiten und somit die von Chruschtschow behauptete Verletzung dieses Abkommens nicht als Grundlage der sowjetischen Forderung nach einem Abzug der Westalliierten dienen kann. Das Memorandum legt weiter dar, dass die Sowjetunion die völkerrechtlich bindenden Besatzungsvereinbarungen nicht einseitig kündigen kann.

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Das US-Außenministerium veröffentlichte am 20. Dezember 1958 ein Memorandum zur Berlin-Frage


[ . . . ]

„Die Vereinigten Staaten sind der Ansicht, daß die von der Sowjetunion als aufgekündigt bezeichneten Abkommen voll in Kraft und wirksam sind, daß die Sowjetunion weiterhin für die Einhaltung der Verpflichtungen, die sie auf Grund dieser Abkommen übernommen hat, voll verantwortlich bleibt und daß die Versuche der Sowjetunion zur Untergrabung der Rechte der Vereinigten Staaten, in Berlin zu sein und Zugang nach Berlin zu haben, eine Verletzung des Völkerrechts darstellen.

Der Rechtsstreit zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und der Sowjetischen Regierung berührt grundlegende Fragen des Völkerrechts. Darunter fallen die jeweiligen von den Besatzungsmächten in Deutschland am Ende des zweiten Weltkrieges erworbenen Rechte sowie der status [sic!] dieser Rechte bis zu einer endgültigen Friedensregelung mit Deutschland: die Frage, ob ein Land einseitig ohne Grund internationale Abkommen, die es unterschrieben hat, aufkündigen darf, um sich selbst der Verantwortlichkeiten zu entledigen, die es freiwillig übernommen hatte, und die Frage, welche Auswirkung eine einseitige Aufkündigung gemeinsam ausgeübter militärischer Besatzungsrechte durch eine der Besatzungsmächte hat.

Während des zweiten Weltkrieges haben die Vereinigten Staaten, Großbritannien und die Sowjetunion zusammen mit den Streitkräften des freien Frankreich und der übrigen vereinigten Nationen eine Koalition der verbündeten Streitkräfte gebildet, die sich zu dem gemeinsamen Ziel zusammengeschlossen hatten, Nazi-Deutschland zu besiegen. Verschiedene große internationale Konferenzen wurden zwischen den Regierungschefs der Alliierten Mächte abgehalten, auf denen die gemeinsamen Ziele umrissen und die Pläne für die Sicherung des Friedens entworfen wurden.

Auf der Moskauer Konferenz, die vom 19. bis 30. Oktober 1943 abgehalten wurde, hat – wie es in dem gemeinsam angenommenen Kommuniqué heißt – die Konferenz vereinbart, einen Apparat zu errichten, um die engstmögliche Zusammenarbeit zwischen den drei Regierungen bei der Prüfung der europäischen Fragen sicherzustellen, die sich während des weiteren Verlaufs des Krieges ergeben. Zu diesem Zweck beschloß die Konferenz, in London eine europäische Beratungskommission einzusetzen, die diese Frage studieren und gemeinsame Empfehlungen an die drei Regierungen machen sollte.

Die Europäische Beratungskommission hielt ihre erste Sitzung am 14. Januar 1944 ab. Danach erörterte sie europäische Fragen, darunter auch die erwartete Kapitulation und Besetzung Deutschlands. Die Art der späteren Besetzung Deutschlands und Großberlins geht aus den in der Europäischen Beratungskommission durchgeführten Besprechungen und den als Ergebnis dieser Besprechungen geschlossenen Abkommen eindeutig hervor.

Am 18. Februar 1944 legte der sowjetische Vertreter der Kommission ein Dokument mit dem Titel Bedingungen für die Kapitulation Deutschlands zur Erörterung vor, dessen Artikel 15 die damaligen Ansichten der sowjetischen Regierung hinsichtlich der Errichtung von Besatzungszonen in Deutschland aufzeigt. Absatz (d) des Artikels 15 dieses Dokumentes schlug in bezug auf Berlin folgendes vor:

„(d): Es soll um Berlin eine 10–15 Kilometerzone geschaffen werden, die gemeinsam von den bewaffneten Streitkräften der UdSSR, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika besetzt wird.“

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